Stuttgart. . Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft spielt an diesem Mittwoch in Stuttgart gegen Chile. Wenn Kapitän Lahm nach dem WM-Test nicht mehr aus der Zentrale wegzudenken sein sollte, könnte es für Schweinsteiger eng werden. Ein richtungweisendes Spiel steht bevor.

Am Rosenmontag, am Tag 101 vor dem WM-Start, hat der Bundestrainer „die Phase der Wahrheit und der Klarheit“ ausgerufen. Dass Wahrheit und Klarheit die Zeit gewährt würde, sich langsam einzustellen, konnte damit aber nicht gemeint sein. Nur noch diese eine Testpartie am Tag 99 vor dem Turnierbeginn in Stuttgart gegen Chile bleibt Joachim Löw vor der Nominierung seines erweiterten Kaders am achten Mai, um sich Erkenntnisse darüber zu verschaffen, wie er das Herz der Nationalelf am besten zum Pochen bringen könnte. Eine Entscheidung ist gefallen: Philipp Lahm wird im zentralen Mittelfeld spielen. Aber mit wem zusammen und wie genau? Davon hängt Aschermittwoch viel ab. Das ist nicht eine, das ist die Frage, auf die vor der Brasilien-Tour eine Antwort gefunden werden muss.

Löw testet gegen Chile das "fließende Dreieck"

Es könnte eine Antwort von historischer Dimension für die Art des Auftretens des Ensembles sein. Das schöne Wort, das Löw für seine Idee davon gefunden hatte, wie es an der Schaltstelle zugehen solle, ist nämlich bereits irgendwann kurz nach dem Eintreffen von Pep Guardiola bei den Bayern verloren gegangen. Fließendes Dreieck. Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira hinter Mesut Özil beispielsweise. Dieses Dreieck sozusagen ohne Ecken und Kanten, ständig in Bewegung, nach hinten, vor allem nach vorne. Das war progressiv. Das brachte den Hauch Offensive mehr, den sich der Bundestrainer wünschte. Das klappte für Schweinsteiger, Khedira, Özil meist.

Hat dieses fließende Dreieck nun noch eine Chance? Vor dem Test gegen die Chilenen verkündete Löw: „In der Mittelfeldzentrale ist das alles ganz variabel zu sehen und nicht so statisch.“ Das schien der Idee vom fließenden Dreieck zwar ziemlich nahe zu sein. Doch bei der WM-Qualifikationspartie gegen Irland im Oktober 2013 in Köln (3:0) hatte der Chef schon mehr getan, als die Maxime auszugeben: wechselt lustig hin und her. Er hatte die Grundformation wie Guardiola nach seiner Ankunft bei den Bayern geändert. Er hatte Schweinsteiger nicht mehr die Wahl zwischen Defensive und Offensive gelassen, sondern ihn gleich ein paar Meter weiter Richtung Gegnertor platziert.

Schweinsteiger könnte in der Startelf das Nachsehen haben

Das klingt abstrakt. Es hat aber sehr konkrete Folgen für das Personal. Einer mehr muss offensiv werden, ständig in die Eins-zu-eins-Situation, blitzartig den Torabschluss suchen. Wer soll es sein? Schaun mer mal, wie es mit dem Schweini funktioniert, für den hinten kein Platz mehr ist. Gegen die Iren war das für den gerühmten Strategen fatal. Zwischen den wendigen, schnellen, trickreichen Özils, Götzes, Schürrles, Reusens wirkt der ehemalige Flügelmann eben wie ein Kaltblut zwischen tobenden Ponys.

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Natürlich lobt Löw seinen „emotionalen Leader“ (ein schönes Wort aus dem Frühjahr 2010) noch immer wegen seiner „hohen Präsenz“, seiner „Führungsqualität“. Doch, egal, ob Sami Khedira, dessen WM-Teilnahme derzeit nur in Frage steht, tatsächlich passen muss: Es wird es eng für Schwein-steiger. Die Guardiola-Variation mit Philipp allein vor der zentralen Defensive hat es dem Bundestrainer angetan. Lahm wird beim Test möglicherweise schon endgültig versetzt, obwohl er am Tag 100, am Veilchendienstag, seine frühere Forderung nach Wahrheit und Klarheit über seine Rolle in Demut zurückgezogen hat: „Was sein wird während der WM, werden wir in der Vorbereitung besprechen. Da sind wir alle entspannt.“

Löw lebt Leistungen von Kroos hervor

Nicht alle. Es gibt schließlich auch noch Toni Kroos, den Bayern, der sich „super entwickelt hat in dieser Saison“, wie Löw erklärte: „Ich bewerte ihn als wahnsinnig wichtigen Spieler in unserem Puzzle.“ In diesem Puzzle mit exakt abgezählten Teilen. Kroos könnte vorn statt Özil spielen und neben ihm Schweinsteiger. Und Özil könnte drin bleiben und Kroos neben Schweinsteiger hinten spielen, wenn Lahm demnächst doch wieder die rechte Verteidigungsseite übernehmen würde. Was kaum geht: Özil, Kroos, Lahm und Schweinsteiger in die Zentrale des Feldes beordern.

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Zu Verschiebungen wird es also kommen. Und vielleicht sogar zum Versuch, alle unterzubringen, zur Quadratur des Dreiecks: Nach der revolutionären Wandlung vom netten in den harten Herrn Löw ist diesem Bundestrainer auch ein radikaler Systemumsturz zuzutrauen.

In Zahlen: 4-3-3. In der Dreierkette hinten: Kroos, Lahm, Schweinsteiger. In der Dreierkette vorn: Schürrle, Götze, Özil. Beispielsweise. Für die wichtige Probierbegegnung mit den Südamerikanern erhöht das alles die Spannung. Es könnte beim Mittelfeldpuzzeln ja ganz nebenbei noch ein weiteres Problem gelöst werden: Die Tage des Mittelstürmers sind in Deutschland doch eigentlich eh schon gezählt.