Stuttgart. . Beim Test gegen Chile simuliert Joachim Löw durchaus schon den WM-Ernstfall. Der Bundestrainer setzt auf einen Bayern-Block, zieht Lahm ins Mittelfeld und testet Großkreutz als rechten Verteidiger. Der formstarke Kroos könnte zur Probe die Özil-Rolle bekleiden.

Nach dem energischen Weckruf des Bundestrainers will Kapitän Philipp Lahm mit seinen wachgerüttelten Kollegen beim WM-Probelauf gegen Chile sofort die passende Reaktion zeigen. "Jeder muss das Bewusstsein haben, dass es jetzt losgeht. Wir haben große Ziele bei der WM. Chile ist ein guter Test. Man muss gewinnen und ein gutes Spiel abliefern", verkündete Lahm am Dienstag in Stuttgart.

Der als Musterprofi unumstrittene Bayern-Profi unterstützte Joachim Löws Warnung an seine Brasilien-Kandidaten uneingeschränkt. "Das kam positiv im Team an", berichtete Lahm. Die mahnenden Worte des Bundestrainers sah der Kapitän aber nicht auf einzelne Akteure wie Arsenals derzeit formschwachen Spielmacher Mesut Özil bezogen: "Ich weiß nicht, ob es ein Angriff auf bestimmte Spieler war. Jeder ist austauschbar, jeder muss bangen und seine Leistung bringen", sagte Lahm. Trotzdem könnte Özil die zentrale Rolle im Mittelfeld für den starken Münchner Toni Kroos räumen müssen. "Im Moment ist Toni ein wahnsinnig wichtiger Spieler", äußerte Löw.

"Jeder muss sich angesprochen fühlen"

Auch Lukas Podolski begrüßte die eindringliche Ermahnung des Bundestrainers, den er seit zehn Jahren beim DFB begleitet. Der Kölner Junge versprach für Aschermittwoch (20.45 Uhr/ARD) eine engagierte Fußball-Nationalmannschaft, der Löw beim letzten Test vor der WM-Nominierung mit gleich vier Neulingen eine Frischzellenkur verordnet hat. "Es ist genau richtig, dass gewarnt wird. Jeder muss sich angesprochen fühlen. Es wäre fahrlässig zu sagen, man ist gut drauf, braucht nichts mehr zu machen und ist bei der WM dabei. Man muss Gas geben in Training und Spielen", sagte Podolski, der nach längerer Verletzungspause heiß auf sein 112. Länderspiel ist.

Einen Spaziergang erwartet Löw vor über 50 000 Zuschauern in der Stuttgarter Arena nicht. "Wir dürfen nicht überrascht sein, wenn wir eine starke chilenische Mannschaft sehen", sagte der 54-Jährige. Löw zählt die Südamerikaner mit dem ehemaligen Leverkusener Arturo Vidal und Topstürmer Alexis Sánchez vom FC Barcelona sogar zum erweiterten Favoritenkreis für die WM in Brasilien. "Chile ist ein gefährlicher Gegner, aggressiv, mit gutem Pressing und spielerisch überzeugend", berichtete auch Lahm nach dem Videostudium des Gegners.

Klose ist noch angeschlagen

Erst einmal in seiner Amtszeit gelang Löw mit dem DFB-Team ein erfolgreicher Start in ein Turnierjahr. Diese Bilanz soll aufpoliert werden, aber in erster Linie stellen die 90 Minuten für den Bundestrainer "nochmal eine Testsituation" dar. "Ich habe noch eine Möglichkeit vor der WM-Nominierung, den einen oder anderen zu sehen", betonte Löw. Das könnte etwa auf Podolski zutreffen, der sein letztes Länderspiel im August 2013 bestritten hat. "Ich bin wieder voll im Saft", sagte der Angreifer des FC Arsenal. Ungewiss bleibt, ob Miroslav Klose im WM-Trikot mit dem roten Brustring auflaufen kann. Der angeschlagene Torjäger wurde am Dienstag weiterhin behandelt.

Auf den WM-Prüfstand kommt sicher Kevin Großkreutz, den Löw bei seinem Länderspiel-Comeback nach drei Jahren als Option für die rechte Abwehrseite testen möchte. "Ich weiß, was ich dort zu tun habe", sagte der vielseitig verwendbare Dortmunder: "Ich will frei aufspielen, Spaß haben und der Mannschaft helfen."

Bayern bilden vermutlich das zentrale Dreieck

Auch wenn zahlreiche WM-Kandidaten fehlen, stellt das Chile-Spiel eine Simulation für Brasilien dar. Löw wird schon jetzt ganz auf Bayern-Power setzen. Trotz des Ausfalls von Thomas Müller (Muskelfaserriss) werden sechs Münchner Champions-League-Sieger in der Anfangself erwartet. Lahm, Bastian Schweinsteiger und Kroos könnten dabei das zentrale Dreieck bilden, das Löw vorschwebt.

Lahm hat "Spaß" an seiner neuen Vereinsrolle gefunden, die er nun erstmals auch bei einem Turnier bekleiden könnte: "Ich fühle mich wohl auf der Position. Ich kann mir vorstellen, da in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren zu spielen." Abhängen könnte das auch von Form und Fitness verletzter Akteure wie Sami Khedira und Ilkay Gündogan. Löw ist froh, dass zumindest Schweinsteiger zurück ist. "Ein fitter Schweinsteiger ist sehr wichtig, da er Präsenz hat und Führungsqualitäten", betonte der Bundestrainer.

Die Tür zur WM nicht geschlossen

Die vier Neulinge Pierre-Michel Lasogga (HSV), André Hahn (FC Augsburg), Matthias Ginter (SC Freiburg) und Shkodran Mustafi (Sampdoria Genua) müssen eher auf eine Einwechslung hoffen. Und ihre WM-Chancen hängen vor allem davon ab, ob die etablierten Kräfte Löws Mahnungen beherzigen. "Ich habe immer betont, die Tür zur WM ist nicht zu. Wir müssen die nächsten zwei Monate sehen, was passiert", äußerte Löw zu den Chancen der Newcomer. (dpa)