Essen. Um die Jahrtausendwende wurde beim TV-Fußball immer das gleiche Bild gezeigt: Auf einem Podium hüpften freudetrunkene Spieler, buntes Lametta regnete vom Himmel, und dann schwenkte die Kamera zwanzig Meter nach rechts auf traurige Männer mit hängenden Köpfen: das von Team Bayer Leverkusen.
Von der lieben Konkurrenz auch gerne mal Vizekusen genannt.
Besonders schlimm war es im Jahr 2002, als die Bayer-Kicker nacheinander die Meisterschaft, das Pokalfinale und das Champions-League-Finale versemmelten. Ich behaupte: Im nächsten Mai werden die Leverkusener hüpfen. Mit ihrem sehenswerten Fußball sind sie jetzt nämlich einfach mal dran. Im Unterschied zu früher stellt Bayer mit acht Gegentoren die beste Abwehr um den finnischen Alt-Recken Hyypiä. Wenn die junge Mannschaft keinen Total-Einbruch wie letztes Jahr erleidet, wenn Jupp Heynckes die Alters-Gelassenheit auch in der unvermeidlichen Krise nicht verliert, dann darf der Verein endlich die Ernte einfahren.
Die Schale in Leverkusen wäre ein harter Schlag für alle, die notorisch vom "seelenlosen Pillenclub" sprechen. Für die schon die Meisterschaft der Wolfsburger Konzern-Truppe eine Art Betriebsunfall war. Das sind dann meistens Fans von Traditionsvereinen, die die Namen ihrer wunder baren Traditions-Arenen an Banken, Versicherungen und Brauereien verscherbelt haben. Also: Kommerz-Kritik ja, aber ohne Scheuklappen und Vereinsbrillen. Bayer spielt jetzt dreißig Jahre am Stück in der Liga, das ist unter den heutigen Bedingungen Tradition genug. Vor allem in Köln werden sie schäumen - endlich mal richtig Schaum bei dem schalen Bier!-, aber der frische Kreativ-Fußball von der ‚falschen’ Rheinseite ist reif für die Meisterschaft.