Leverkusen. Mit einer Weltklasse-Leistung hat Leverkusens Torwart Bernd Leno gegen Bayern München einen Punkt im Bundesliga-Spitzenspiel festgehalten. Die Münchner konnten ihre Dominanz auf dem Feld nicht in Tore ummünzen. Leverkusen kämpfte aufopferungsvoll um jeden Meter.

Es sind die letzten Sekunden eines denkbar einseitigen Spitzenspiels zwischen Bayer 04 Leverkusen und dem FC Bayern München. Es steht 1:1. Heung Min Son stürmt über die linke Seite Richtung Bayern-Strafraum - in der Mitte sprintet der Leverkusener Jens Hegeler und wird von hinten von Münchens Frank Ribery gerammt. Hegeler stürzt - ein Aufschrei geht durch die mit über 30.000 Zuschauer vollbesetzte Bayer-Arena. Der Elfmeter-Pfiff bleibt aus. Stattdessen pfeift Schiedsrichter Knut Kircher das Spiel kurze Zeit später endgültig ab.

Ob's ein Elfmeter war? Nein, denn die Aktion fand außerhalb des Strafraums statt. Und war's ein Foul? Da gehen die Meinungen auseinander. "Also wenn ein Kerl von einem Baum, der eigentlich nicht dafür bekannt ist, im Strafraum hinfällt, hätte man uns ruhig den Elfmeter gönnen können", sagt Bayers Stefan Reinartz kurz nach dem Spiel. Franck Ribery zieht in der Mixed Zone kurz die Augenbrauen hoch: "Elfmeter? Kein Thema!", antwortet er, "Das war mein Körper. Das ist Fußball - ich bin klein und der andere Spieler zwei Meter", fügt der Franzose mit einem leichten Lächeln hinzu.

Siegtreffer für Bayer hätte Spielverlauf auf den Kopf gestellt

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Ein von Bayer Leverkusen in der Nachspielzeit verwandelter Strafstoß hätte den Verlauf des Bundesliga-Spitzenspiels am Samstagabend allerdings vollends auf den Kopf gestellt. 27 zu 5 Torschüsse, 59 Prozent gewonnene Zweikämpfe und 78 Prozent Ballsitz hatte Bayern München im Vergleich zu Bayer Leverkusen nach den 93 Minuten Spielzeit auf der Habenseite zu verbuchen - aber eben nur einen Punkt. Diesen hatten sich die Leverkusener tapfer erkämpft - auch wenn es über weite Strecken so schien, als ob die überlegenen Münchner mit ihrem Gegner nur Katz und Maus spielten und geduldig auf den entscheidenen Punch warteten.

Mit einem engmaschigen Netz versuchten die Leverkusener die Passwege der Bayern zu zumachen. Dabei standen eine Fünfer-Mittelfeld und die Vierer-Abwehrkette oft nur zehn bis 15 Meter auseinander. Doch durch die Pass-Sicherheit der Bayern bekamen die Bayer-Kicker keinen Zugriff in den Zweikämpfen. Die Münchner spielten von Beginn an konsequent über außen mit Ribery und Xherdan Shaqiri, die mit ihren Hereingaben immer wieder für Gefahr sorgten. So verfehlte Thomas Müller mehrfach nur knapp das Tor - einmal sogar mit dem Kopf den leeren Kasten.

Münchens Ribery spielte seine Gegner schwindelig

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Vor allem Ribery stellte die Leverkusener vor eine schier unlösbare Aufgabe. Der Franzose sorgte allein mit Körpertäuschungen dafür, dass sich Lars Bender zweimal in der eigenen Defensive auf dem Hosenboden wiederfand – leichtes Schwindelgefühl inklusive. Der deutsche Nationalspieler versuchte den völlig überforderten rechten Außenverteidiger Donati gegen Ribery zu unterstützen. Doch Europas Fußballer degradierte die beiden meist zu Statisten. "Wenn mir nach 20 Minuten jemand gesagt hätte, das Spiel geht 1:1 aus, hätte ich nicht drauf gewettet", meinte Bayers Sport-Direkor Rudi Völler nach dem Spiel.

In der 29. Minute versuchten Donati und Toprak ihr Glück gegen Ribery – vergebens. Abermals eine Körpertäuschung und die beiden Abwehrspieler erstarrten förmlich vor dem Angreifer. So kann Ribery seelenruhig in den Rückraum auf den heranrauschenden Toni Kroos passen, der souverän mit der Seite den Ball im Tor versenkt.

Sam gleicht überraschend für Leverkusen aus 

Umso überraschender, dass die bis dahin recht planlos in der Offensive agierenden Leverkusener postwendend zurückschlugen. Zweimal konnte Bayerns Torwart Manuel Neuer den Ball abwehren, bevor er Sidney Sam vor die Füße fiel, der in der 31. Minute zum 1:1 nur noch einschieben brauchte.

Wer allerdings dachte, die übernervösen Leverkusener würden sich jetzt mehr zutrauen und an der Dominanz der Bayern kratzen, sah sich getäuscht. Der Champions-League-Sieger drückte weiter auf das Tempo und kam mit dem verkappten Neuner Müller und einem frech aufspielenden Shaqiri zu weiteren hochkarätigen Torchancen, die allesamt von Bayer-Torwart Bernd Leno in Weltklasse-Form zunichte gemacht wurden.

Kießling hing vor den Augen von Löw in der Luft

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Die wenigen Leverkusener Offensivbemühungen verpufften, noch bevor sie überhaupt in die Nähe des Tors von Manuel Neuer gelangten. Der Ex-Münchner Emre Can stand über weite Strecken völlig neben sich, wobei gerade sein direkter Gegenspieler Rafinha mit einigen bösen Ballverlusten für die einzigen Schwäche-Momente in der Bayern-Abwehr sorgte. Leverkusens Stürmer Stefan Kießling hing vor den Augen von Bundestrainer Joachim Löw völlig in der Luft - bekam in der Offensive auch kaum Unterstützung geschweige denn verwertbare Anspiele seiner Mannschaftskollegen.

Die waren viel zu sehr damit beschäftigt, den Bayern hinterher zu hecheln. "Wenn man dann einmal den Ball gewonnen hat, sind die Bayern viel ausgeruhter und können direkt Gegenpressing spielen", resümierte Bayers Kapitän Simon Rolfes nach dem Spiel.

Je nervöser die Leverkusener wurden, desto ruhiger und geduldiger spielten die Bayern. Eigentlich haben sie ein feines Gespür dafür, wenn es nur eine Frage der Zeit ist, wann ein Gegner geknackt wird. Doch in Leverkusen wurde mit der Dauer des Spiels die Zeit zum größten Gegner der Münchner.

Guardiola diskutierte Aug in Aug mit dem Vierten Offiziellen 
Bayern-Trainer Guardiola war mit
Bayern-Trainer Guardiola war mit "nur" drei Minuten Nachspielzeit gar nicht einverstanden. © Getty Images

Während sich die Leverkusener und deren von Krämpfen gequälte Körper nach dem Schlusspfiff sehnten, zeigten die Münchner Nerven. Die Zahl der Großtorchancen nahm ab der 70. Minute merklich ab.

Als der Vierte Offizielle Mark Bosch trotz zahlreicher Verletzungspausen nur drei Minuten Nachspielzeit anzeigte, sah er sich Aug in Aug mit einem sichtlich aufgebrachten Bayern-Coach Pep Guardiola gegenüber. Auch den Zorn von Sportdirektor Matthias Sammer bekam er verbal zu spüren.

Letztlich blieb es bei einem glücklichen Punkt für Bayer Leverkusen. Auch wenn sich das Remis für Bayern-Stürmer Thomas Müller eine "gefühlte Niederlage" ist, so gehen die Münchner als Tabellenführer in die Länderspielpause und auf das Oktoberfest.

Daten zum Spiel Bayer Leverkusen gegen FC Bayern München 

Bayer Leverkusen - Bayern München 1:1 (1:1)

Bayer Leverkusen: Leno - Donati, Toprak, Spahic, Boenisch - Bender, Reinartz, Rolfes - Sam (82. Kruse), Kießling (84. Hegeler), Can (68. Son)

Bayern München: Neuer - Rafinha, Boateng, Dante, Alaba - Lahm - Shaqiri (71. Robben), Kroos (85. Götze), Schweinsteiger, Ribéry - Müller (80. Mandzukic)

Schiedsrichter: Kircher (Rottenburg)

Zuschauer: 30 210 (ausverkauft)

Tore: 0:1 Kroos (29.), 1:1 Sam (31.)

Gelbe Karten: Boenisch (1) / Boateng (2)

Beste Spieler bei Bayer Leverkusen: Leno, mit Absprichen Sam und Spahic

Beste Spieler bei Bayern München: Ribéry, Kroos und Boateng