Turin. Das Tor zum Königsklassen-Halbfinale steht für Bayern weit offen. Ein eigener Treffer in Turin soll der Schlüssel zum Erfolg der auswärts so zielsicheren Münchner werden. Einen Schub erhofft man sich vom Meistertitel. Martialische Juve-Töne nehmen die Bayern gelassen.
Die Schale ist abgehakt, jetzt zählt nur noch der Henkelpott: Mit höchster Konzentration, Respekt und „einem Schuss Demut“ geht Fußball-Rekordmeister Bayern München die von Präsident Uli Hoeneß ausgegebene „Mission Triple“ an. Der Verein werde jetzt versuchen, „alles zu gewinnen“, sagte Hoeneß - und das Rückspiel im Viertelfinale der Champions League bei Juventus Turin am Mittwoch (20.45 Uhr im DerWesten.de-Ticker) soll der erste Schritt dahin sein. Doch von Vorfreude oder gar Euphorie ist bei den Bayern nichts zu spüren.
„Es wird schwer, Turin wird noch einmal alles in die Waagschale werfen. Wir fahren da hin, um das Halbfinale zu erreichen, aber auch mit Respekt und einem Schuss Demut“, sagte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge vor dem Flug LH 2570 am Dienstagvormittag nach Italien.
Beim Einsteigen in den Airbus A340-600 sah man in konzentrierte Gesichter. Kaum mal ein Lächeln, stattdessen die „Fokussierung“, die Sportvorstand Matthias Sammer angemahnt hatte. Bei der Ankunft am Flughafen Turin-Caselle wurde diese aber gestört. Mehrere Dutzend Tifosi, darunter Flughafen-Angestellte und sogar Sicherheitsleute, umlagerten die Stars am Gepäckband, vor dem Team-Hotel Principi di Piemonti wiederholte sich das.
„Es wird ein Krieg gegen die Deutschen“
Doch der Andrang der Fans brachte die Bayern ebensowenig aus der Ruhe wie die Kriegsrhetorik des beim 0:2 im Hinspiel enttäuschenden Gegners. „Diese Wortwahl lässt darauf schließen, dass sie sich noch nicht aufgegeben haben“, sagte Rummenigge kühl über Aussagen von Trainer Antonio Conte und Stürmer Mirko Vucinic. Er wolle von Fans und Mannschaft „ein Höllenspektakel“ sehen, hatte Conte gesagt, und Vucinic drohte gar: „Es wird ein Krieg gegen die Deutschen.“
Rummenigge entgegnete, ihm gefalle „das Wort Krieg im Fußball überhaupt nicht, erst recht nicht, wenn es von einem Spieler aus Montenegro kommt. Das war sehr unglücklich“. Die Vokabel Krieg habe „im Fußball nichts zu suchen“, sekundierte Trainer Jupp Heynckes im „Salone delle feste“ des Hotels unter schweren Kronleuchtern, ehe er versuchte, Vucinic zu entschuldigen. Der habe wohl nur gemeint, Juve werde „nochmal alles versuchen. Aber das war unglücklich“.
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Kleine Spitzen, ansonsten waren die Bayern darauf bedacht, den italienischen Meister nicht noch anzustacheln. Heynckes sah sich wie Rummenigge genötigt, der Kritik von Ehrenpräsident Franz Beckenbauer an Juve-Torhüter Gianluigi Buffon („Rentner“) die Schärfe zu nehmen. Buffon sei „eine Legende, ein großartiger Mensch, einer der besten Torleute in der Historie des Fußballs“, sagte der Coach. Rummenigge tadelte Beckenbauer, gegenüber Buffon sei „Respekt angebracht“.
Respekt haben die Bayern auch vor der Kulisse im neuen und mit 41.000 Zuschauern ausverkauften Juventus-Stadion. „Eine aggressive Stimmung“ werde da herrschen, prophezeite Rummenigge. Und Respekt haben sie vor der „alten Dame“, die Heynckes erneut als „absolute Top-Mannschaft“ lobte. Kapitän Philipp Lahm warnte, der FC Bayern müsse „aufpassen“, Juve sei „gefährlich“. Deshalb „dürfen wir nicht den Fehler machen, uns hinten reinzustellen. Wir müssen auf Sieg spielen.“ Und Bastian Schweinsteiger meinte: „Wir müssen noch eine Schippe drauflegen, um zu bestehen.“
Robben, Ribery und van Buyten trainieren am freien Tag
Die erst am vergangen Samstag errungene 23. Meisterschaft war bei den Bayern dagegen längst kein Thema mehr. „Das beflügelt überhaupt nicht“, sagte Lahm. Statt noch ein wenig zu feiern, setzten Arjen Robben, Franck Ribery und Daniel van Buyten am freien Montag mit dem freiwilligen Training ein Zeichen in Sachen Disziplin, das die Bosse begeistert hat.
Er habe „nicht den Eindruck“, sagte Rummenigge, dass die Mannschaft es schleifen lasse. „Sie hält Konzentration und Gier nach Titeln hoch, das finde ich im positiven Sinne unglaublich.“ In Turin untermauerte Robben das mit der Aussage, niemand im Team denke bereits an das Endspiel am 25. Mai in London.
Heynckes muss derweil bei der Wahl der Startelf berücksichtigen, dass mit Lahm, Dante, Luiz Gustavo und Mario Mandzukic vier Profis bei einer Gelben Karte im Halbfinal-Hinspiel gesperrt wären. Wohl deshalb wies Sammer am Rande des Abschlusstrainings darauf hin, dass die Bayern „mit der gleichen Aggressivität, aber mit kühlerem Kopf“ als im Hinspiel agieren müssten.
Juve, dem unter anderem der gesperrte Arturo Vidal fehlt, hofft derweil noch aufs erste Halbfinale seit 2003. Aber träumen? „Träume gehen im Fußball selten in Erfüllung“, sagte Conte. (sid)