Krefeld. Nach der jüngsten Attacke auf einen Schiedsrichter bei einem Hallenturnier in Krefeld fordert der erste Fußballverein Konsequenzen: Der SC Viktoria 09 Krefeld schlägt vor, Gewalttaten von Fußballern im Spielerpass registrieren zu lassen. Der zuständige Fußballverband Niederrhein will davon nichts wissen.
Die Attacke war brutal: Bei den Krefelder Hallenfußball-Stadtmeisterschaften Anfang Januar sprang ein Spieler dem Schiedsrichter in den Rücken. Der Kreisliga-Verein SC Viktoria 09 Krefeld fordert jetzt, dass in Zukunft alle Tätlichkeiten gegen Schiedsrichter in den Spielerpässen der Fußballer registriert werden. Darin stehen bislang nur allgemeine Daten wie Name, Geschlecht und Vereinszugehörigkeit.
„Wir sind zwar selbst nicht betroffen, aber wir haben von solchen Vorfällen einfach zu oft gehört“, sagt Markus Eitner, Vereinsvorsitzender des SC Viktoria. Mit dem Eintrag in den Spielerpass könnten Vergehen transparent dokumentiert werden. „Ein Vermerk hilft den Vereinen zu entscheiden, ob sie Spieler aufnehmen wollen oder nicht.“ Er sehe die Vereine in der Pflicht ein Zeichen zu setzen. Aus dem Spielerpass würde damit ein Führungszeugnis - mit oder ohne Eintrag.
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Bei den eigenen Fußballern käme die Idee gut an, sagt Eitner. „Ich habe innerhalb und außerhalb des Vereins positive Rückmeldungen erhalten.“ Im April will der Verein den Vorschlag beim Kreistag in Brüggen einbringen. Sollte er dort durchkommen, müssten ihn noch zwei höhere Instanzen absegnen. Dann würde abschließend der DFB-Bundestag darüber entscheiden.
Verband sieht Stigmatisierung von Fußballern
Dem Vorstoß zur Änderung des Spielerpasses räumt Rainer Lehmann, Geschäftsführer des Fußballverbandes Niederrhein, keine großen Chancen ein: „Das ist nicht zulässig, das macht auch keinen Sinn.“ Er sehe nicht die Vereine in der Pflicht, sondern die Sportgerichte, die bereits ausreichend harte Urteile fällen würden.
Bei Tätlichkeiten gegen Schiedsrichter sind Sperren von mindestens einem Jahr üblich, im Jugendbereich sind es sechs Monate. Beleidigungen und Schimpfwörter können mit Sperren zwischen zwei und drei Wochen geahndet werden – bei rassistischen Äußerungen müssen die Spieler mit härteren Strafen rechnen.
Außerdem, so Lehmann, müsse jedem Spieler nach Verbüßen seiner Strafe die Möglichkeit eines Neuanfangs gegeben werden. Dem widerspricht Viktoria-Vereinschef Markus Eitner. Zwar hält auch er die Strafen für ausreichend, aber einen Eintrag im Spielerpass findet er trotzdem sinnvoll: „Ein Angriff auf Schiedsrichter oder Offizielle geht gar nicht. Das sollte man sich vorher überlegen.“ Der auffällig gewordene Fußballer vom Turnier in Krefeld hätte bei ihm im Verein „keine Chance“.
Angriffe auf Unparteiische haben drastisch zugenommen
Aus Eitners Sicht haben die Vorfälle mittlerweile „beängstigende Formen angenommen.“ Eine Zunahme der Attacken auf Schiedsrichter hat auch Rainer Lehmann registriert: „Das ist höchst unerfreulich und nicht hinnehmbar. Die Hemmschwelle sinkt, und es ist einfach schwierig, da wieder ein normales Maß zu finden.“
Das kann auch Werner Gatz bestätigen, ehemaliger Linienrichter in der 1. Bundesliga und Vertrauensmann für die Schiedsrichter im Fußball-Kreis Krefeld-Kempen. Zwei bis drei körperliche Attacken auf Schiris würden allein auf Kreisebene pro Jahr verzeichnet. Zugenommen haben aus Sicht von Gatz besonders Beleidigungen. „Verbalattacken sind deutlich drastischer geworden, die Ausdrücke viel schlimmer.“
Gatz, der noch auf Kreisebene als Schiedsrichter aktiv ist, findet zwar grundsätzlich jeden Vorschlag sinnvoll, „der verhindert, dass Spieler Schiedsrichter angreifen.“ Dem Vorstoß aus Krefeld räumt er jedoch keine großen Chancen ein. „Einen Eintrag in den Spielerpass halte ich allein schon wegen der Persönlichkeitsrechte der Fußballer für problematisch.“
Fußballverband hat keine Lösung für Schiri-Attacken
Eine praktikable Alternative zum Eintrag im Spielerpass hat der ehemalige Linienrichter nicht zur Hand: „Das richtige Mittel ist noch nicht gefunden worden.“ Auch Verbandsgeschäftsführer Rainer Lehmann kennt keinen Königsweg. Sein Fazit: „Wir sind im Zweifel hilflos.“
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Markus Eitner vom SC Viktoria hofft, mit dem Vorschlag einen Denkanstoß für andere Vereine zu liefern. Sollte sich die Idee nicht durchsetzen, könnten sich die Vereine in Zukunft gegenseitig über auffällig gewordene Fußballer informieren. In Zukunft will der Verein die eigenen Spieler noch mehr sensibilisieren. So sollen zum Beispiel Schiedsrichter zu Saisonbeginn veränderte Fußballregeln erklären, um Missverständnisse abzubauen.
In Lehrgängen würden die Unparteiischen zudem bereits lernen, wie sie sich in brenzligen Situationen verhalten sollen, berichtet Willi Wittmann, Vorsitzender des Fußball-Kreises Krefeld-Kempen. Doch die Vorbereitung hilft oft nur in der Theorie, weiß Schiedsrichterobmann Werner Gatz: „Auf dem Platz sind die Schiris dann wieder allein.“