Bochum.. Das Bochumer Mittelfeld ist mit 21,75 Jahren das jüngste Mittelfeld im deutschen Profi-Fußball. Christoph Kramer, Leihgabe von Bayer Leverkusen, und Marc Rzatkowski sind Bestandteil des Bochumer Jungbrunnens. Für die beiden Youngster ist Qualität allerdings “keine Altersfrage“. Das erzählen die beiden Profis im Interview.
In der Zweiten Bundesliga sind acht Spiele absolviert. Wie fällt Ihr Fazit des Saisonstarts aus?
Christoph Kramer: Wenn wir das eine oder andere Unentschieden in einen Sieg umgemünzt hätten, wäre es sicherlich ein gelungener Saisonstart gewesen. So ist es sicherlich in Ordnung, aber es war mehr drin. Wir müssen es nehmen, wie es ist.
Woran hapert es, dass die Spiele nicht gewonnen wurden?
Kramer: Wenn wir beispielsweise das Spiel beim MSV Duisburg nehmen, hätten wir die Partie am Ende auch zu unseren Gunsten entscheiden können. Auch gegen den TSV 1860 München müssen wir als verdienter Sieger vom Platz gehen.
Marc Rzatkowski: Es war viel mehr drin für uns, wenn man die Spiele noch mal Revue passieren lässt, vor allem die Partien gegen den MSV und 1860. Wir haben momentan einfach Probleme mit der Chancenauswertung. So ist der Saisonstart durchwachsen. Aber wir wollen uns weiterentwickeln und dann eben das nächste Spiel gewinnen.
Für das Spiel gegen die Löwen aus München ist der VfL sehr gelobt worden. Das war eine Leistung, die sich die Fans in Bochum häufiger wünschen.
Rzatkowski: Ansatzweise haben wir gegen 1860 schon richtig guten Fußball gezeigt und das Kombinationsspiel im Mittelfeld ist uns gut gelungen. Es hat Spaß gemacht und den Zuschauern sicherlich auch gefallen. Allerdings hat es leider nicht zum Sieg gereicht. Wenn wir so eine Leistung abrufen und dann noch gewinnen, kann sich niemand beschweren. An diese Leistung sollten wir uns immer erinnern, denndarauf kann man aufbauen.
Kramer: Es hat einfach viel zusammengepasst in der Partie. Aber die Sechziger haben uns auch die Möglichkeit gegeben, Überzahl im Mittelfeld zu bilden. Es kommt also auch drauf an, wie sich der Gegner präsentiert.
Kommen wir noch mal auf die Chancenverwertung zurück. Ihr Trainer Andreas Bergmann hat gesagt, „das Gefühl ein Tor zu schießen, sei untrainierbar“ – was genau meint er damit?
Rzatkowski: Ein Tor im Training zu erzielen oder eins im Spiel zu machen, sind einfach zwei verschiedene Paar Schuhe. Vor zig tausend Fans einen Treffer zu erzielen, kann man auf dem Trainingsplatz nicht simulieren. Dieses Gefühl braucht eine Mannschaft, um sie enger zusammenzuschweißen.
Liegt es vielleicht auch am Alter? Mit 21,75 Jahren hat der VfL Bochum das jüngste Mittelfeld im deutschen Profi-Fußball.
Kramer: Wir sind alle gut ausgebildet und können mit dem Ball umgehen und das ist wichtiger als das Alter. Der Fernsehsender Sport1 hat uns als „Baby-Mittelfeld“ tituliert. Erfahrung und Souveränität kommen mit den Spielen und hat nicht zwangsläufig etwas mit dem Alter zu tun. Es ist die Qualität, die sich auf dem Platz durchsetzt. Entweder man spielt gut oder schlecht. Es kann natürlich sein, dass die Leistungen nur bedingt konstant sind.
Mit Slawo Freier und Christioph Dabrowski hat der VfL Bochum auch etwas routiniertere Spieler im Kader. Wie nehmen die das auf, wenn die „jungen Wilden“ spielen?
Kramer: Das hätte ich mir ehrlich gesagt etwas anders vorgestellt. Alle Spieler verhalten sich super loyal, sind Team-Player und es gibt nicht das geringste Problem mit den Spielern, die auf der Bank sitzen. Ich glaube nicht, dass das so selbstverständlich ist, wie es bei uns abläuft.
Rzatkowski: Wir sprechen auch viel in der Kabine miteinander und analysieren zusammen verschiedene Szenen. Slawo Freier nimmt mich zur Seite und sagt mir, was ich gut oder schlecht gemacht habe. Er lobt mich und steht mir mit Rat und Tat zur Seite.
VfL-Trainer Bergmann ist "ein Kumpel-Typ"
Auf was legt Ihr Trainer besonderen Wert auf Ihren Positionen?
Kramer: Wir sollen nie den Ball verlieren und immer einfach spielen (lacht). Er ist ein Verfechter vom sicheren Spiel – zumindest auf meiner Position im defensiven Mittelfeld. Einfaches und schnelles Spiel mit wenigen Ballkontakten sind auf der Sechs schon sinnvoll.
Rzatkowski: Disziplin und Konzentration sind neben dem einfachen Spiel für unseren Trainer auch wichtig.
Man sagt Andreas Bergmann nach, dass er ein Händchen für Talente und junge Spieler hat. Können Sie das bestätigen?
Kramer: Wir haben einen wirklich jungen Kader beim VfL und den hat er mit zusammengestellt. Daran kann man ablesen, dass er gerne mit jungen Spielern arbeitet. Ob es am Trainer liegt, dass wir viele junge Spieler haben, weiß ich allerdings nicht. Wir vollziehen gerade einen Umbruch in Bochum und dabei ist es wichtig, die richtige Mischung im Team zu haben. Für die Kaderzusammenstellung ist der Trainer mitverantwortlich und die jungen Profis wie Marc oder zum Beispiel Florian Brügmann bekommen unter Bergmann ihre Einsatzzeiten.
Und werden in Einzelgesprächen zur Seite genommen?
Rzatkowski: Nein, das passiert nicht so oft. Andreas Bergmann ist als Trainer und als Mensch ein unkomplizierter Typ, zu dem man ein gutes Verhältnis aufbauen kann – egal, wie alt man ist. Das schätze ich sehr an ihm.
Kramer: In Einzelgesprächen ist er so, wie er auch vor der gesamten Mannschaft ist. Er ist einfach ein ehrlicher Mensch.
Florian Brügmann musste nach seinem spielentscheidenden Fehler in Aalen auf die Bank. Nimmt der Trainer dem jungen Abwehrspieler damit Selbstvertrauen?
Keine Rückenverletzung bei Kramer
Entwarnung bei Christoph Kramer: Der Mittelfeldspieler wurde gestern eingehend untersucht. Ergebnis der Kernspintomographie (MRT): keine Rückenverletzung. Kramer soll bereits am Mittwoch - heute ist frei - wieder mittrainieren.Pausiert haben gestern noch Marc Rzatkowski und Carsten Rothenbach (beide muskuläre Probleme). Sie sollen Mittwochvormittag individuell und bei gutem Verlauf dann am Nachmittag, bei der zweiten Einheit, mit der Mannschaft trainieren.
Kramer: Ich denke nicht, dass Bergmann ihn deshalb rausgenommen hat, sondern um ihn zu schützen. Er wollte damit etwas Druck von Florian nehmen. Außerdem muss man dazu wissen, dass sich Mounir Chaftar auch im Training aufgedrängt hat. Es war keine Entscheidung gegen Flo, sondern eine für Mo.
Leon Goretzka ist mit erst 17 Jahren der jüngste Profi im VfL-Kader und auch er übernimmt schon eine große Verantwortung im Mittelfeld.
Kramer: Leon ist ein super Spieler mit riesigem Potenzial, was er schon häufiger abgerufen hat. Aber bei all dem Lob, das man ihm zu Recht zuteil werden lässt, darf man nicht vergessen, dass er erst 17 Jahre jung ist. Deshalb kann man ihm fehlende Konstanz nicht verübeln. Man darf über eine komplette Saison nicht zu viel von ihm erwarten. Es wird auch Phasen geben, in denen es mal nicht so gut läuft. Aber er wird seinen Weg gehen, das wissen wir alle.
Bei 17 Jahren ist also doch eine Grenze in Punkto „Erfahrung“ und „Souveränität“?
Kramer: 17 Jahre ist schon eine andere Hausnummer als 21 oder 22 Jahre.
Rzatkowski: Man darf auch nicht vergessen, dass es sein erstes Senioren-Jahr ist und das ist im Vergleich zur Jugend schon eine große Umstellung. Es ist schneller und körperbetonter. Aber er hat ungeheures Potenzial.
Auffällig ist, dass der VfL mit Andreas Luthe, Leon Goretzka und Marc Rzatkowski zuletzt öfter drei Eigengewächse in der Startelf hatte. Sehnen sich die Fans nach Spielern aus dem eigenen Verein?
Rzatkowski: Es ist eine schöne Randnotiz, dass es Spieler aus dem eigenen Nachwuchs bis zu den Profis geschafft haben. Aber ich glaube nicht, dass zum Beispiel Christoph Kramer, der von Leverkusen ausgeliehen ist und immer wieder super Leistung abgerufen hat, weniger gemocht wird, als Spieler aus der Bochumer Jugend. Sobald ein Profi das VfL-Trikot trägt und gut spielt, wird das von den Fans honoriert. Wir sind alle Spieler des VfL Bochum.
Kramer bekennt sich nicht zum VfL Bochum
Wenn Sie Leverkusen schon ansprechen: Bei Bayer war der damalige Jugend-Trainer Sascha Lewandowski, ein alter Bochumer, daran beteiligt, dass Sie an den VfL ausgeliehen wurden, Herr Kramer. Jetzt ist Lewandowski Cheftrainer. Schließt sich damit der Kreis und kehren Sie nach der Saison an den Rhein zurück?
Kramer: Vielleicht schließt sich der Kreis. Aber ich kann noch nicht wirklich etwas dazu sagen. Es hängt natürlich auch viel davon ab, wie Leverkusen in der kommenden Saison plant. Das ist noch weit weg. Ich möchte in Bochum eine vernünftige Saison spielen und dann wird man sehen, wohin der Weg führt.
Die Leihe zum VfL ist bislang optimal für Sie verlaufen.
Kramer: Bis auf zwei Partien habe ich alle Pflichtspiele in Bochum bestritten und das ist mehr, als ich erwartet hätte. Bis zum Ende der Saison sollen es sechzig Spiele sein und dann höre ich auch auf. (lacht) So hätte ich es mir nie erträumen können und ich denke, dass das schon eine Empfehlung ist.
Marc, Sie waren ein Jahr an Arminia Bielefeld ausgeliehen und sind jetzt Bestandteil des Bochumer Umbruchs.
Rzatkowski: Es vor allem eine krasse Umstellung für mich, weil ich räumlich von meiner Familie und meinen Freunden getrennt war. Ich bin kein Typ, der schnell neue Leute in sein Leben lässt. Aber unter diesem Gesichtspunkt war es eine tolle und wichtige Erfahrung. Natürlich hat es mich auch weitergebracht, weil ich dort Spielpraxis sammeln durfte. Das Jahr hat mir sehr geholfen.
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Bleiben Sie denn Bestandteil des Neuaufbaus? Ihr Vertrag läuft nach dieser Spielzeit aus.
Rzatkowski: Es ist noch zu früh, darüber zu sprechen. Ich möchte in dieser Saison so viel wie möglich spielen. Aber wie gesagt: Meine Familie und Freunde wohnen hier, ich bin in Bochum geboren und fühle mich natürlich sehr wohl in dieser Stadt.
Sie waren zusammen mit Matthias Ostrzolek und Kevin Vogt gemeinsam auf einer Schule und gemeinsam beim VfL. Ostrzolek und Vogt spielen jetzt in der Bundesliga beim FC Augsburg.
Rzatkowski: Sie meinen, dass es da die Parallele gibt: Erst Lessing Schule, dann VfL Bochum und später FC Augsburg? (lacht) Erstmal möchte ich jetzt gerne weiter beim VfL Bochum Fußball spielen.