Frankfurt. Marco Reus war beim 1:3 gegen Argentinien der beste Spieler im deutschen Team, Mario Götze zeigte nach seiner Einwechslung “klasse Anlagen“, wie Bundestrainer Löw lobte. Der wird einen Umbruch einleiten. Für einige Etablierte ist das keine gute Nachricht.

Weil das Geschichtsbuch des deutschen Fußballs seriös geführt wird, erhält eine Niederlage in einem Freundschaftsspiel selbst dann keinen größeren Eintrag, wenn es gegen die Argentinier ging. Für Freunde schrägen Humors war das 1:3 der deutschen Nationalmannschaft in der Frankfurter Arena aber ein Fest. Am Ende strebten Harry und Jogi dem Ausgang entgegen wie der Comic-Cowboy Lucky Luke mit seinem treuen Ross Jolly Jumper dem Sonnenuntergang. Begleitet wurden die Männerfreunde in angeschwitzten Hemden von den Blicken der Journalisten, die in den Katakomben bereits gerührt applaudiert hatten, als der Jogi, der Bundestrainer Joachim Löw, den Harry, den scheidenden Teamsprecher Harald Stenger, mit schönsten Wortgirlanden schmückte. Dankbar sei er für „Geradlinigkeit“, für „absolute Loyalität“ und so weiter.

Hummels verletzte sich - Zieler sah die Rote Karte

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Schräg, weil Stenger gar nicht scheiden wollte und Löw die Scheidung hätte verhindern können, wenn er es nur gewollt hätte. Einen letzten Dienst hat Stenger der Nationalmannschaft nach dem misslungenen Start in die Post-EM-Saison allerdings noch erwiesen. Als der argentinische Trainer Alejandro Sabella zu Erklärungen für den Erfolg seiner Mannschaft ansetzte und mangels elektronischer Übersetzungsübertragung nur Kollegen aus Südamerika ihm folgen konnten, holte er Dolmetscher Pablo auf das Podium. „Diese Panne werden wir auch noch hinbekommen“, merkte Stenger an und hatte damit die Ereignisse des Abends treffend zusammengefasst.

Jede Menge weitere Pannen hatte die deutsche Auswahl auf dem Rasen nämlich auch schon hinbekommen. Erst suchten die Schädel von Mats Hummels und Gonzalo Higuain die Konfrontation. Folge: Hummels, der Innenverteidiger, musste in Minute 22 das Feld räumen. In Minute 30 dann klaffte ungefähr an der Stelle, die Hummels möglicherweise besetzt gehalten hätte, eine Riesenlücke in der Defensive. Folge: Pass in den Strafraum. Torhüter Ron-Robert Zieler eilt hinaus, touchiert den Gegner. Elfmeter. Rot für Zieler. Für Zieler wird Marc Andre ter-Stegen eingewechselt. Lionel Messi schießt und vergibt. Ter-Stegen kassiert in der mit zehn Akteuren noch zu gestaltenden Stunde drei Treffer. Es sind die Gegentreffer Nummer sechs, sieben und acht in seinem erst zweiten Einsatz im Adlertrikot. Als besonders unglücklich, so der Gladbacher anschließend, habe er die Nummer sechs empfunden. Mit der hatte nämlich der eigene Kollege Sami Khedira den Argentiniern zum 1:0 verholfen.

Es gab weitere schräge Momente. Wem spendet das Publikum vor dem Anpfiff Applaus? Dem Kontrahenten Weltfußballer Messi. Wem will der Flitzer, der das Feld heimsucht, die Hand drücken? Nein, keinem Deutschen, sondern Messi. Löw hat Taten wie diesen aber natürlich keine Beachtung geschenkt, sondern versucht, sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Leicht ist es ihm nicht gefallen. Wegen der massiven Eingriffe des Schicksals in die Partie zeigte er sich unter dem Strich eher verblüfft als verärgert: „Der Spielverlauf war insgesamt irgendwie gegen uns.“

Ein großer Schritt für Reus

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Über Probleme bei der Chancenauswertung (Benedikt Höwedes erzielte sein erstes Länderspieltor zum Abschluss) und Probleme bei der Chancenverhinderung plauderte der Fachmann ebenfalls. Anders als bei seiner „Wutrede“ vom Montag („Ich habe keine Wutrede vernommen“) präsentierte sich Löw jedoch trotz vorangegangenen Kahn-TV-Aufregers wieder entspannt wie beim Espresso-Nippen auf einer badischen Piazza. Seine Mannschaft, so meinte er, habe trotz brutaler Pechsträhne „alles versucht“. Und einige positive Erkenntnisse seien auch aus diesem Test zu ziehen gewesen. Zum Beispiel, dass Mario Götze in seinen wenigen Einsatzminuten seine „klasse Anlagen“ offenbarte. Zum Beispiel, dass sich Marco Reus zum besten Spieler in der deutschen Phalanx aufschwang und noch Luft nach oben hat: „Ich denke, er wird bei uns in den nächsten Monaten einen großen Schritt nach vorn machen.“

Für einige Etablierte ist das keine gute Nachricht. Den Umbruch, den er zum EM-Halbfinale gegen Italien nicht vorgenommen hat, obwohl er die Fähigkeiten von Reus und dessen speziellen Wert für das Ensemble spätestens nach dem Viertelfinale gegen Griechenland einschätzen konnte, wird der Bundestrainer nun wohl einleiten. Wenn es wieder wichtig wird. Beim nächsten Kracher. In der ersten WM-Qualifikationsbegegnung am siebten September in Hannover. „Mit den Faröer werden wir auf einen ganz anderen Gegner treffen“, hat Löw erklärt. Auch ganz schön schräg.