Bremen. . Bundestrainer Joachim Löw glaubt, dass das 1:2 der deutschen Nationalmannschaft gegen Frankreich den Erwartungsdruck bei der Europameisterschaft kleiner machen wird. „Wir haben als Mannschaft nicht mit der allergrößten Konsequenz und Intensität nach hinten gearbeitet“, sagte Löw.
In der Bundesliga waren in den vergangenen Monaten mehr Panzerknacker unterwegs als in Entenhausen. Als aufmerksamer Beobachter hat Joachim Löw das nach der Blitzdiagnose von Doktor Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt sofort angemerkt. Abscherung des Nasenknorpels am Nasenknochen von Nationalspieler Andre Schürrle. Noch steht nicht fest, ob der Leverkusener bei der Samstagpartie gegen Bayern München überhaupt auflaufen kann, aber wenn, dann wird er wohl wie seine Berufskollegen Benedikt Höwedes (aktuell) oder Sven Bender und Michael Ballack (letztens) sein Gesicht verbergen müssen.
„Wir haben mittlerweile viele Maskenmänner“, hat der Bundestrainer deshalb nach der 1:2-Niederlage der Nationalelf gegen Frankreich verkündet und damit die größte Wahrheit eines Abends herausgearbeitet, der früher einmal das deutsche Gemüt verschattet hätte wie die Ankündigung eines Notstandes auf dem Biermarkt. Zur Erinnerung: Beim letzten Test vor der Teamnominierung für ein Riesenturnier ergebnistechnisch zu versagen, galt vor der Herrschaftsära Löw gar nicht als „Weckruf im korrekten Moment“ (eine kurze Zusammenfassung des Medienechos), sondern als Anlass, sich zu sorgen. Siehe unter anderem das 1:4 der Hätschelkinder der Nation gegen Italien vor der WM 2006, die Jürgen Klinsmann, Löws damaligen Vorgesetzten, beinahe die Projektleitung gekostet hätte.
Pfiffe im Weserstadion
Nach dem Stolperer von Bremen fand aber nur Frankreichs Trainer Laurent Blanc: „Es ist schon besser, vor einem Turnier so abzuschneiden“, nämlich siegreich. Die meisten anderen hatten den „Weckruf im korrekten Moment“ gehört (diesmal eine kurze Zusammenfassung des Spielerechos). Und der Bundestrainer philosophierte etwas unentschieden über die nach zahlreichen beeindruckenden Leistungen seines Ensembles aufgebaute Erwartungshaltung für die Sommer-EM in Polen und der Ukraine: „Ich weiß nicht, ob diese Euphorie jetzt gedämpft ist. Ganz ehrlich, das interessiert mich auch kaum noch. Deutschland geht doch immer mit einem Erwartungsdruck in ein Turnier. Vielleicht ist die Euphorie aber ein bisschen zu überspannt gewesen.“
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Weil es im Weserstadion am Ende Pfiffe hagelte, kann behauptet werden: Die Nationalmannschaft zieht jetzt immerhin besser getarnt in die kommenden, wichtigen Monate. Sie hat reichlich Fehler produziert (die folgenreichsten: Linksverteidiger Dennis Aogo). Sie hat sich spielerisch unterlegen gezeigt und verdient durch Gegentore von Olivier Giroud und Florent Malouda verloren (den Anschlusstreffer erzielte Cacau erst in der Nachspielzeit). Und sie hat damit alles in allem für warnende Äußerungen Löws eine grundsolide Basis geschaffen: „Es gibt nicht nur einen Favoriten bei der EM.“ Nein, um das anzufügen, es werden zum Beispiel auch Spanier anreisen.
Wann genau der Bundestrainer die Masken mit der Aufschrift „So toll sind wir gar nicht“ besorgt hat, lässt sich nicht genau bestimmen. Aber noch beim Ausklingen des Jahres 2011 betonte Löw beharrlich das Weltniveau, das seine Auswahl erreicht habe, so beharrlich und so überbordend selbstbewusst, dass es all die, die in der vergangenen Dekade den Bescheidenheitslehrgang des deutschen Fußballs absolviert hatten, fast peinlich berührte. Und nun? Nun hat die Nationalelf in Abwesenheit von Kapitän Philipp Lahm, von Anführer Bastian Schweinsteiger, von Defensivstabilisator Per Mertesacker und Prinz Lukas Podolski genau da Schwächen offenbart, wo sie tatsächlich in bereits historisch zu nennender Dimension Schwächen hat. Auf den Flanken der Abwehrkette.
Die schwierigen Posten
Der Bundestrainer hat zwar das Kollektiv zur Rechenschaft gezogen („Wir haben als Mannschaft nicht mit der allergrößten Konsequenz und Intensität nach hinten gearbeitet“), doch: Aogo konnte links einmal mehr lediglich in einigen Bewegungen das Potenzial andeuten, das Löw in ihm schlummern sieht. Und weder Jerome Boateng noch Höwedes sind Rechtsverteidiger, sie versuchen nur ihr Bestes, so, wie Arne Friedrich stets sein Bestes versuchte, bevor er bei der WM 2010 endlich als Kettenglied in der Mitte Glanz verbreiten durfte.
Andererseits: Löw verfügt über „einen Plan“, der in der Vorbereitung wirksam werden soll. Und bisher gingen die Pläne dieses Bundestrainers immer irgendwie auf.