Leverkusen. Bayer gewann 3:1 gegen den VfL Wolfsburg. Es war ein Nachmittag zum Genießen für Leverkusens Kapitän Michael Ballack, dem seit der WM 2010 praktisch andauernd und überall überwiegend Skepsis entgegengeschlagen war.
Michael Ballack hat es sich schon lange abgewöhnt, das Wort noch einmal in eigener Sache zu ergreifen. Auch nach Bayer Leverkusens 3:1 (1:0)-Sieg über den VfL Wolfsburg nahm er den selbstverordneten Maulkorb nicht ab. Es war Ballacks 100. Spiel im Trikot der Werkself gewesen und zugleich sein bestes seit der Rückkehr vom FC Chelsea. Jeder im Stadion hatte das gesehen, und Ballack hatte es gar nicht nötig, diesen Fakt mit eigenen Kommentaren zu unterstreichen. Nach dem Abpfiff ließ sich der „Capitano“ in den Katakomben der BayArena gar nicht mehr blicken und verschwand wortlos in Richtung Heimat.
Keine Frage: Es war ein Nachmittag zum Genießen für Ballack – endlich mal, nachdem ihm seit der WM 2010 praktisch andauernd und überall überwiegend Skepsis entgegengeschlagen war. Nicht nur in der Nationalmannschaft, auch in Leverkusen. Doch diesmal hatte ihn Trainer Robin Dutt nicht nur in die Anfangsformation gestellt, er hatte ihm auch als Vertreter des zunächst zuschauenden Simon Rolfes die Kapitänsbinde anvertraut. Eine Bagatelle? Vielleicht. Im Fall Ballack vielleicht aber auch nicht nach dem ganzen Theater um seine Absetzung als Kapitän im Löw-Team.
"Standing Ovations" für Ballack
Auffällig jedenfalls, dass er gegen die „Wölfe“ erstmals seit langer Zeit wieder ganz wie der „alte“ Michael Ballack auftrat: Dominant, immer anspielbar, torgefährlich – er dirigierte das Bayer-Spiel wie in besten Zeiten, beruhigte seine Teamkollegen oder trieb sie an. Als Ballack in der 88. Minute gegen Manuel Friedrich ausgewechselt wurde, erhoben sich die Zuschauer von ihren Sitzen und feierten ihn mit „Standing Ovations“. Keine Frage: Dies alles muss dem in letzter Zeit so häufig in Frage gestellten 35-Jährigen einfach gut getan haben.
Das Reden konnte er danach getrost anderen überlassen. Zum Beispiel Rudi Völler. „Michael hat eine tolle Partie geliefert“, lobte ihn Bayers Sportchef, „bei ihm hat man heute gesehen, wie wichtig das Tor in der Champions League gegen Genk für ihn gewesen ist.“ Am Mittwoch hatte der eingewechselte Ballack mit dem 2:0 in letzter Minute die bis dahin durchaus vorhandenen Zweifel am Erfolg über die Belgier beseitigt. Gegen Wolfsburg fehlte eigentlich nur ein weiteres Tor als Krönung des neuen Gala-Auftritts. Einmal war der Pfosten im Weg (38. Minute), ein anderes Mal rettete VfL-Torwart Diego Benaglio mit einem Blitz-Reflex (44.). Aber das machte nichts, weil Gonzalo Castro (14.), Eren Derdiyok (65.) und Stefan Kießling (85.) als Torschützen in die Bresche sprangen. Wolfsburgs zwischenzeitlicher Ausgleich durch Mario Mandzukic (58.) blieb eine kurze Episode.
Dutt ließ mit zwei Spitzen spielen
Ist Michael Ballack jetzt endlich in der Mannschaft von Bayer angekommen? Es deutet einiges darauf hin. Trainer Robin Dutt, der nach den Niederlagen gegen Köln (1:4) und in München (0:3) schon heftig kritisiert worden war, hatte ihm beim Umbau seines Teams die zentrale Rolle zugewiesen. Erstmals ließ der Coach Leverkusen mit zwei Spitzen (Kießling, Derdiyok) spielen und Ballack als Denker und Lenker dahinter. In dieser Rolle blühte er auf.
Ballack kann’s also noch. Aber redet nicht mehr darüber. Möglicherweise hätte ihm diese neue Gelassenheit schon früher weitergeholfen. Vielleicht war er auch nicht gut beraten, als er seinen Platz zunächst ziemlich brachial einforderte. Nur ein Beispiel: Musste Ballack damals, kurz nach der Rückkehr zu Bayer, seinen Anspruch wirklich dadurch unterstreichen, dass er Arturo Vidal einen Elfmeter abnahm, weil er selbst unbedingt das Tor wollte? Innerhalb der Mannschaft stieß er mit solchen Aktionen nicht unbedingt gleich auf Sympathien. Das blieb lange spürbar. Auf Fragen nach dem „B-Thema“ reagierten seine Kollegen mit zunehmendem Widerwillen. Jetzt scheint Ballack die Chance zu besitzen, den letzten Schritt ins Team zu tun. Bei Bayer täten alle gut daran, auch den mit Gelassenheit anzugehen.