Bochum. . Frankreich steht nach dem 4:0 gegen Kanada in Bochum im WM-Viertelfinale. Nach dem Sieg sagten die Französinnen ihrem nächsten Gegner Deutschland wenig zögerlich den Kampf an.

Selbst eine „Spielerin des WM-Spiels“ hat es schwer. Nach dem 4:0-Sieg gegen Kanada hat die Französin Gaetane Thiney diese Auszeichnung erhalten. Also sitzt sie auf dem Podium und soll etwas über den Erfolg erzählen. Allerdings: Die Moderatorin kennt die zweifache Torschützin gar nicht. Thiney muss ihr das Namensschild hinhalten, damit es mit der Vorstellung klappt. Das Problem des französischen Frauenfußballs wie unter dem Brennglas.

Zwar ist Frankreich als erstes Team mit zwei Siegen ins Viertelfinale eingezogen, doch selbst in der Heimat ist das Frauen-Team nicht besonders bekannt. Daher zogen sich die Fußballerinnen vor zwei Jahren aus und posierten nackt für ein Plakat. Unter das Foto schrieben sie: „Muss es erst soweit kommen, damit ihr uns spielen sehen wollt?“

Offensichtlich ja, denn Trainer Bruno Bini hatte bei der Europameisterschaft 2009 noch einen ganz dicken Hals. Kein einziger Journalist aus Frankreich hatte sich damals für das Turnier akkreditiert. „Frechheit“, schäumte der Ex-Profi. Mittlerweile ist es etwas besser, die Spiele Frankreichs bei der WM werden sogar von einem Spartensender im Fernsehen übertragen.

Trotzdem gibt sich Bini nach dem 4:0 zurückhaltend. Nur eins hält er für sicher: „Im letzten Gruppenspiel heißt unser Gegner Deutschland, und wir werden da sein.“

Seine Spielerinnen sind weniger zögerlich. Camille Abily vom Champions-League-Sieger Olympique Lyon trägt das Trikot mit der Nummer „10“ wie einen Hermelin in Richtung Kabine. Abily hat eine eindrucksvolle Vorstellung auf der rechten Außenbahn geliefert. Nach den beiden Treffern von Thiney (24./60.) hatte sie per Kopf auf 3:0 (66.) erhöht, bevor Elodie Thomis den 4:0-Endstand besorgte. Und genau bei Abily liegt noch taktisches Entwicklungspotenzial.

Taktische Varianten

Bini hatte das Team schon in der Pause beim Auftaktsieg gegen Nigeria umgestellt. Bini ließ im Mittelfeld mit einer Raute beginnen, doch bei der Rückkehr aus der Kabine hatte er umgestellt und spielte vor der Abwehr mit zwei „Sechsern“. Genau so begann Frankreich auch gegen Kanada. Doch Bini legt dieses System konservativ aus, denn Elise Bussaglia und die 37-jährige Sandrine Soubeyrand interpretieren die Doppel-Sechs als Abräumerinnen vor dem Strafraum.

Die Alternative heißt Camille Abily. Sie hat im vergangenen Jahr – ähnlich wie Nuri Sahin bei Borussia Dortmund – genau von der Sechser-Position aus mit dem FC Golden Pride in der US-Profiliga die Meisterschaft gewonnen. Abily machte von hinten heraus das Spiel, und ihre Pässe verwandelte die Brasilianerin Martha in Tore.

Ob Bruno Bini diese Option im Spiel um den Gruppensieg gegen Deutschland zieht? Bini gibt keine klare Antwort und wiederholt: „Sicher ist, wir werden beim Spiel gegen Deutschland da sein. So wie vorgesehen.“

Draußen geht in diesem Moment Christine Sinclair vorbei. Die Stürmerin war viel gelaufen und hatte trotzdem wenig bewegt. Ihre Maske aus Hartplastik, mit der sie ihre gebrochene Nase geschützt hat, hält sie in der Hand, neben der Nase schimmert ein neuer blauer Fleck. Sinclair hat in der Schlussphase noch einen Schuss aus kurzer Distanz ins Gesicht bekommen. Nicht ihr Tag. Zwei Spiele, null Punkte, das frühe Turnier-Aus für den Gastgeber der nächsten WM 2015. „Auch nicht der Tag Kanadas“, sagt Sinclair. Und das ausgerechnet am Vorabend des kanadischen Nationalfeiertags.