Hannover/Essen. . Nach der 1:3-Pleite in Hannover darf Trainer Louis van Gaal wohl doch weiter beim FC Bayern München arbeiten. Der Niederländer soll bis zum Saisonende weitermachen.
Haltung bewahren! Das war die Devise von Bayern-Trainer Louis van Gaal, als er seinen Audi gestern Morgen vor dem Sonntags-Training auf das Bayern-Gelände an Münchens Säbener Straße lenkte. Vom Fenster seines Büros aus verfolgte er wie üblich das Auslaufen seiner Profis, die am Vortag bei der 1:3 (0:1)-Niederlage in Hannover vermutlich seinen Abschied aus München eingeleitet hatten. Van Gaal dürfte indes überrascht gewesen sein, dass er gestern noch Bayern-Trainer war. Denn keiner der Vereins-Bosse war zuvor mit einem Wort der Unterstützung für den Coach den sogleich aufflammenden Debatten um dessen Nachfolge entgegen getreten.
Van Gaal absolvierte den Arbeitstag beim Rekordmeister nach Vorschrift. Danach stieg er in sein Dienstfahrzeug, gab noch schnell ein Autogramm und fuhr davon.
„Wir müssen nicht reden, wir müssen handeln“, hatte ein ausgesprochen schmallippiger Vereinspräsident Uli Hoeneß beim Abschied aus Hannover geknurrt. Aber am Sonntag wurde in München erst mal lange geredet. Hinter verschlossenen Türen tagte die Bayern-Führung aus Hoeneß, Sportdirektor Christian Nerlinger sowie den Vorständen Karl Hopfner und Karl-Heinz Rummenigge, wobei Rummenigge in seinem noblen Anwesen in München-Grünwald Gastgeber der Herren-Runde war. Nach fünf Stunden kam das überraschende Ergebnis: Van Gaal (Vertrag bis 2012) soll bis Saisonende weitermachen. Nach Informationen der Bild-Zeitung steht am Montag ein Spitzengespräch mit Trainer und Klubführung an.
Von einem „Tiefpunkt der Saison“ hatte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge noch in Hannover gesprochen. Von „einem Spiel, das mir große Sorgen bereitet“. Eine Entscheidung, so Rummenigge weiter, wolle man aber nicht „unter der Emotionalität nach dem Spiel treffen. Sondern mit nüchterner Rationalität. Schlafen werde ich darüber nicht, ich werde nachdenken.“
Louis van Gaal war zu diesem Zeitpunkt längst entschlossen, die Entlassung in aller Form und mit erhobenem Haupt zu akzeptieren. Schon im Vorfeld der Begegnung hatte er für den Fall der Trennung wissen lassen, er könne damit umgehen. „Ich bin am Ende meiner Karriere. Mehr Mitleid hätte ich mit meinen Stabmitgliedern.“
Nach außen blieb er gelassen, korrekt, ungewöhnlich höflich. Wie’s drinnen aussah, blieb hinter van Gaals Fassade verborgen. Immerhin schien er das Feld nicht völlig kampflos räumen zu wollen. Warum sonst wohl hätte er seiner Mannschaft einen „Löwenmut“ attestiert – wenn er damit nicht hätte sagen wollen, dass die Spieler für ihn kämpfen?
Spätestens am Saisonende soll die Zusammarbeit beendet werden. Nach den Niederlagen gegen Borussia Dortmund, Schalke und in Hannover liegt die Saison der Bayern in Trümmern. Meisterschaft und Pokal sind futsch, die Qualifikation für die Champions League ist in Gefahr.
Louis van Gaal, nach dem 1:0 bei Inter Mailand im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League noch gefeiert, wird längst für sämtliche Defizite der Bayern verantwortlich gemacht: Die Riesen-Löcher in der Defensive, wenn der Gegner den Ball erobert hat, den Wechsel von Torhüter Jörg Butt zu Thomas Kraft, der bei Hannovers 3:1 einen dicken Fehler gemacht hatte, den Verkauf von Mark van Bommel, der im defensiven Mittelfeld vermisst wurde, die Wirkungslosigkeit der Flügelzange Arjen Robben/Franck Ribery.
Hitzfeld ist nicht abkömmlich
Das Problem der Bayern-Bosse: Sie finden niemanden, der sofort für van Gaal einspringt und das Team in die Champions League führt. Die üblichen Verdächtigen, wie Matthias Sammer, Ralf Rangnick oder Thorsten Fink, sollen bei dem Krisengespräch in Grünwald keine Rolle gespielt haben. Ottmar Hitzfeld hat gerade als Schweizer Nationaltrainer verlängert, ist nicht abkömmlich.
Hoch gehandelt in München: Ex-HSV-Trainer Martin Jol, seit seinem Abschied von Ajax Amsterdam ohne Vertrag. Oder kommt im Sommer etwa Jupp Heynckes? Der hatte gestern einen Gesprächstermin mit Bayer-Chef Wolfgang Holzhäuser und hat seinen am Saisonende auslaufenden Vertrag in Leverkusen noch nicht verlängert.
Solange die Bayern also noch suchen, wird Louis van Gaal wohl weitermachen. Und die Haltung bewahren.