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Der Fußball-Weltverband Fifa steht nicht erst seit den jüngsten Korruptionsvorwürfen im Zwielicht. Nun geht es um die Wahl der Austragungsorte für die WM 2018 und 2022. Es geht um Millionen-Geschäfte.

Manchmal scheint die Welt ganz oben tatsächlich so ähnlich zu funktionieren, wie man sich das weiter unten vorstellt. Zum Beispiel, wenn es darum geht, welche Länder in acht und in zwölf Jahren das Milliarden-Geschäft Fußball-WM ausrichten dürfen.

Es gibt heute schon Favoriten, sie heißen Russland und Australien. Während Russland auf den politischen Einfluss seines Ministerpräsidenten Wladimir Putin zu setzen scheint, vertrauen die Australier auf erprobte westeuropäische Seilschaften. Und auf den Charme kleiner Geschenke, die Freundschaft aufbauen.

Teure Halsketten für die Funktionärs-Frauen

Schon vor zwei Jahren lud der Präsident des australischen Fußballverbandes FFA, Jack Lowy, eine ganze Reihe von Fifa-Funktionären samt Gattinnen zu einem Abendessen in sein Haus ein. Dabei beschenkte Multimillionär Lowy die Damen mit Halsketten im Wert von mehreren zehntausend Euro. Die reine Liebenswürdigkeit?

Tatsächlich ist das Thema Korruption im Fußball seit dem Wochenende wieder in aller Munde. Reynald Temarii (Tahiti) und Amos Adamu (Nigeria), zwei der 24 Fifa-Funktionäre, die am 2. Dezember über die Gastgeber der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 entscheiden, sollen Reportern der Londoner „Sunday Times“ angeboten haben, ihre Stimme kaufen zu können – Temarii angeblich für 1,6 Millionen und Adamu für 570 000 Euro. Die Journalisten, die alles auf Video festhielten, hatten sich als Lobbyisten für die USA ausgegeben.

Teure Lobbyisten

Die Fifa und ihr Präsident Joseph S. Blatter versprachen am Montag schnelle Aufklärung. Ein Reflex, der bei den zahlreichen Kritikern des Schweizers bestenfalls Galgenhumor auslöst. Denn die Gerüchte um korrumpierte und korrumpierbare Entscheidungsträger bei der Vergabe von Weltmeisterschaften oder bei den Wahlen von Sepp Blatter halten sich seit Jahren.

Die Verlockungen liegen auf der Hand. Nach Fifa-Gepflogenheiten geht die WM 2018 an Europa. Im Rennen sind neben Russland und England die beiden Doppelbewerbungen Spanien/Portugal sowie Belgien/Niederlande. Für die WM 2022 konkurriert Australien mit den USA, Katar sowie Japan und Südkorea.

Dass die Australier auf Lobbyisten aus Westeuropa setzen, ist ein offenes Geheimnis. Die Regierung pumpt umgerechnet gut 32 Millionen Euro in die Bewerbung. Ein Viertel steckt nach Recherchen australischer Zeitungen in einem Topf, aus dem zwei der weltweit einflussreichsten und am besten vernetzten Fußball-Lobbyisten bezahlt werden: Fedor Radmann und Peter Hargitay. Radmann gilt als Intimus von Franz Beckenbauer und war über seinen deutschen Geschäftspartner Andreas Abold beteiligt an der Bewerbung und der Organisation der WM 2006. Sollte Australien den Zuschlag für 2022 erhalten, sollen Radman und Hargitay bis zu acht Millionen Euro erhalten.

Die Mär vom Kaiser

Radmann und Abold wissen spätestens seit der WM 2006, wie man sich erfolgreich bewirbt. Im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit ist das Sommermärchen das Werk Franz Beckenbauers. Eine Mär, die alleine die Geschichte vom Neuseeländer Jack Dempsey widerlegt: Der damals 78 Jahre alte Präsident des Ozeanischen Fußball-Verbandes hatte sich – entgegen der Anweisung seiner Regierung, für Südafrika zu stimmen – im entscheidenden Wahlgang zwischen Deutschland und Südafrika enthalten: 12:11 für Deutschland. Bei Stimmengleichheit hätte übrigens Blatters Votum doppelt gezählt – Blatter wollte Südafrika. Dempsey erklärte sein Verhalten später mit den zahlreichen Gerüchten, er habe südafrikanisches Geld genommen. Zugleich berichtete er von „nicht tolerierbarem Druck durch einflussreiche europäische Interessengruppen“ – gemeint waren wohl Deutschlands Lobbyisten.

Aufräumen müsste Sepp Blatter. Doch der Fifa-Boss selber muss sich immer wieder Vorwürfe gefallen lassen, seine Wahlen von 1998 und 2002 erkauft zu haben. Im Juni will der 75 Jahre alte Schweizer zum vierten Mal antreten. Südkoreas Fifa-Vize Chung Mong-Joon hat seine Gegenkandidatur genauso zurückgezogen wie Mohamed Bin Hammam aus Katar. Es riecht nach Waffenstillstand bis geklärt ist, ob sich eines ihrer Heimatländer im Rennen um die WM 2022 durchgesetzt hat. Oder doch Australien. Mit welchen Mitteln auch immer.