Berlin. .
René Adler ist nach seiner Rippenoperation nur noch Nummer drei. Im Interview spricht der 25-jährige DFB-Torhüter über Konkurrenz im Fußball, kalte Krieger und ein Buch, das er noch nicht lesen möchte.
Bis kurz vor der WM war René Adler die deutsche Nummer 1. Dann musste sich der Torhüter einer Rippenoperation unterziehen. Der Traum von Südafrika war geplatzt. Den 3:0-Sieg der Nationalelf im Spiel gegen die Türkei verfolgte der 25-Jährige von der Tribüne aus. Als Nummer drei. Hinter Manuel Neuer und Tim Wiese. Vor der Partie der DFB-Elf in Kasachstan hat Frank Lamers mit René Adler über seine Position gesprochen, über Ecken und Kanten, die Ehre, kalte Krieger und ein Buch, das er noch nicht lesen möchte.
Welche Position bevorzugen Sie für die Analyse, Herr Adler? Tor oder Tribüne?
René Adler: Für die Analyse ist es sicher besser, das Spiel von außen zu sehen. Aber, klar, jeder will spielen. Im Moment sind die Rollen allerdings verteilt und ich...
Könnten wir noch einmal zu Ihrer Analyse des Spiels gegen die Türkei zurückkommen?
Adler: Ich konnte das ja alles genau begutachten. Und ich habe schon gesehen, welche Dominanz wir im Moment ausstrahlen, welche spielerische Qualität in uns steckt. Wir können Ausfälle kompensieren. Einer ist für den anderen da. Das war ein tolles Spiel von uns, obwohl der Druck groß war.
Hat es Sie überrascht, dass die vielen Spieler, die sich mit ihren Vereinen im Bundesliga-Tal aufhalten, eine solche Leistung auf den Platz bringen konnten?
Adler: Nein. Es war schon immer eine Stärke der Nationalelf, dass Spieler in ihrem Kreis aufblühen.
Warum passiert das?
Adler: Für sein Vaterland zu spielen, ist eine große Ehre. In der Nationalelf will jeder alles geben. Das will er natürlich im Verein auch. Aber das ist eben doch Bundesligaalltag.
Und wie haben Sie als Fachmann die Leistung von Manuel Neuer bewertet? Stimmte etwas nicht? Oder sagen Sie: perfekt?
Adler: Wenn man als Torhüter zu Null spielt, dann macht man alles richtig. Und der Manuel hat auch noch einen entscheidenden Ball gehalten...
Wie würden Sie denn Ihr Verhältnis zu Manuel Neuer beschreiben? Als professionell, kollegial, freundschaftlich?
Adler: Mit den ersten beiden Begriffen. Im Fußball von Freundschaft zu sprechen, ist immer schwierig. Verstehen Sie das aber bitte nicht falsch. In der Nationalmannschaft herrscht ein großer Teamgeist.
In der früheren Torhütergeneration mit Oliver Kahn und Jens Lehmann wären die Antworten auf die letzten beiden Fragen distanzierter ausgefallen...
Adler: Was ich gesagt habe, entspricht meiner Linie. Ich bin Sportler und Realist. Ich will meine Chance suchen. Aber ich rede nichts schlecht, was nicht schlecht ist.
Ronald Reng, der Autor des Enke-Buches „Ein allzu kurzes Leben“, hat gesagt: Ein Torhüter muss eigentlich ein kalter Krieger sein. Sind Sie kein kalter Krieger? Oder müssen Sie sich dazu anhalten, keiner zu sein?
Adler: Ich tue mich schon mit dem Wort „muss“ in diesem Satz schwer. Torhüter ist auch nur ein Berufsfeld. Ein schönes. Sicher. Aber natürlich ist auch eine gewisse Härte im, wie man so sagt, Haifischbecken Bundesliga gefordert. Ich bin nur nicht der Meinung, dass man sich im Charakter verändern sollte. Ich zumindest bin nicht bereit dazu, mich zu verstellen.
H aben Sie mit Robert Enke, als er Ihr Konkurrent war, über das Kalte-Krieger-Sein gesprochen?
Adler: Ich möchte eigentlich nicht auf Robert eingehen und werde das Buch auch erst Weihnachten lesen. Wenn man sich mit Robert so gut verstanden hat, merkt man, dass Sachen durch das Buch und den bevorstehenden Todestag aufgewühlt werden. Das Thema wird öffentlich wieder mehr präsent. Ich möchte mich damit aber erst zu gegebener Stunde beschäftigen.
Kann es sein, dass der Fußballer mit Ecken und Kanten im modernen Profigeschäft keine Rolle spielen kann?
Adler: Man darf es nicht pauschalisieren. Es gibt auch heute Typen, die weniger reflektieren, was sie sagen und tun. Das ist auch völlig in Ordnung. Aber es gibt in der jungen Generation viele, die bedachter sind, die ruhiger sind, die auch ihre Führungsaufgaben anderweitig handhaben. Und das mit genau so gutem, vielleicht sogar besserem Erfolg. Was das für Gründe hat, das ist immer schwer zu beurteilen, wenn man mitten drin ist. Aber mein Handeln rührt aus meinem Charakter heraus, aus dem, wie ich fühle, wie ich bin.
I hr Vereinskollege Patrick Helmes hat zuletzt seine Verwunderung geäußert, dass er nicht nominiert wurde. Hätten Sie sich bei einer Nicht-Berücksichtigung an die Öffentlichkeit gewandt?
Adler: Man muss sich bewusst machen, dass man in gewisser Weise als Spieler mit Medien spielen kann. Das machen die Medien mit uns Spielern, und umgekehrt. Das gehört zum Geschäft. Also gibt es natürlich Spieler, die sich etwas dabei denken, wenn sie an die Öffentlichkeit gehen. Es stellt sich aber grundsätzlich die Frage: Was ist sinnvoller? Und vielleicht ist es sinnvoller, das konstruktive Gespräch unter vier Augen zu suchen.
Kasachstan ist nun schwierig. Der lange Flug. Zeitverschiebung. Kälte. Denken Sie nicht doch in einer hinteren Kammer: Am Wochenende muss ich für Leverkusen klar im Kopf sein, warum tue ich mir das an?
Adler: Nein. Ein solches Denken ist bei mir einfach nicht vorhanden. Ich bin froh, dass ich wieder bei der Nationalmannschaft sein darf. Es ist für mich eine Ehre. Trotz des Stresses. Es gehört dazu, dass man auch in einem solchen Spiel topp motiviert ist, die drei Punkte möglichst mitnimmt und dann nach Hause fliegt und sich wieder auf den Bundesligaalltag konzentriert. Das ist nicht immer ganz einfach, aber es ist der Job. Da muss man durch.
Wissen Sie denn etwas über das Land Kasachstan?
Adler: Nein. Im Vordergrund steht das Spiel, nicht die Sightseeing-Tour.