Frankfurt. .
Der Routinier bekommt die Spielführerbinde der Nationalmannschaft zurück. Aber nur, wenn er sportlich unantastbar ist. Bundestrainer Joachim Löw lässt offen, wann er Ballack wieder nominieren wird.
Irgendwann musste sich Joachim Löw dann doch die Frage gefallen lassen, warum es für diese Lösung überhaupt so viel Zeit brauchte. Warum er sich wochenlang um die Antwort in der Kapitäns-Frage gedrückt hatte, wo doch jetzt eigentlich alles beim Alten bleibt: Michael Ballack ist auch weiterhin der offizielle Kapitän der Nationalmannschaft – wenn er denn bei den Spielen dabei ist. Wenn nicht, wird er von Philipp Lahm vertreten – er ist der „aktuelle Kapitän“, weil Ballack für den Start der EM-Qualifikation an diesem Freitag (20.45 Uhr) in Belgien noch nicht als fit genug eingeschätzt wird.
Eine Lösung, die auf der Hand lag. Und die man deswegen auch schon früher hätte präsentieren können, um die Diskussion darüber zu beenden. Aber Löw wollte seinen Spielern persönlich reinen Wein einschenken, und da sei die Zusammenkunft jetzt zu Beginn der EM-Qualifikation eben die erste Gelegenheit gewesen.
Philipp Lahm wird nach der Teamsitzung im Frankfurter First-Class-Hotel „Villa Kennedy“ nicht eben Jubelsprünge gemacht haben. Denn Löw hat den Anspruch des WM-Kapitäns („freiwillig gebe ich die Binde nicht wieder her“) nicht erfüllt. Erwartungsgemäß verzichtete der Bundestrainer aber darauf, Lahm für sein Vorpreschen vor dem WM-Halbfinale gegen Spanien einen Kopf kürzer zu machen. Der Wunsch, dauerhaft Kapitän zu bleiben, sei legitim: „Wir haben mündige Spieler, das kann er gerne äußern.“ Nun habe Lahm „die Entscheidung absolut akzeptiert“. Zumal es ja noch längst nicht sicher ist, wann der kleine Bayern-Verteidiger die Binde wieder an den großen Ballack abgeben muss.
Löw lässt sich alle Türen offen
Und damit sind wir wohl bei der eigentlichen Antwort auf die Frage, warum Löw sich für diese Lösung der K-Frage so viel Zeit gelassen hat: Es geht um die Form des bald 34 Jahre alten Ballack. Der Bundestrainer ließ es auch am Mittwoch in Frankfurt völlig offen, wann er den Mittelfeldspieler wieder nominieren wird – die nächste Gelegenheit wäre Anfang Oktober beim EM-Qualifikationsspiel in Berlin gegen die Türkei. Löw lässt sich bei solchen Entscheidungen alle Türen offen. Und das gilt auch, oder gerade, für das Comeback des Kapitäns.
Weil Ballack bei der Team-Sitzung nicht dabei war, hat Löw in der vergangenen Woche ein ausführliches Gespräch mit ihm geführt. Dabei habe er ihm „sehr offen“ den einzigen Weg zurück aufgezeigt: Ballack muss wieder zu seiner absoluten Bestform finden, um überhaupt nominiert zu werden.
Durch die WM habe sich die Situation insofern verändert, dass das zentrale Mittelfeld mit Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira auch dann vorzüglich besetzt ist, wenn der lange Zeit als unersetzlich geltende Leitwolf fehlt. Um diese Formation aufzulösen, muss Ballack im Herbst seiner Karriere noch einmal an seine besten Zeiten anknüpfen. Löw vermittelte zumindest nach außen den Eindruck, dass er Ballack dies zutraut: „Ich hoffe und glaube, dass Michael wieder in die Verfassung kommt, in der wir ihn kennen. Und dann ist er eine Verstärkung für die Mannschaft.“
Neuer ist die Nummer eins
Im Klartext: Seine Ausnahmestellung hat Ballack verloren. Aber wenn er seine Form findet, bekommt er seine Spielführerbinde zurück.
Michael Ballack hat das bekommen, womit er rechnen musste – nämlich eine hohe Hürde für die Rückkehr. Bei der Team-Sitzung gab es aber auch einen, der viel mehr bekommen hat, als er erwarten durfte: Manuel Neuer. Denn Schalkes Torwart ist ab sofort ganz offiziell die Nummer eins der Nationalelf.
„Bei der WM hat es an seinen Leistungen überhaupt keinen Zweifel gegeben, so dass er auch die EM-Qualifikationsspiele absolvieren wird“, erklärte Löw. Und damit meinte er nicht nur die Spiele jetzt in Belgien und am nächsten Dienstag in Köln gegen Aserbaidschan. Rene Adler und Tim Wiese sind „gemeinsam die Nummer zwei“ und werden in Freundschaftsspielen zum Einsatz kommen. Diesen Status, den Neuer jetzt genießt, hat Löw seit dem Ende der Ära von Jens Lehmann keinem anderen Torwart mehr zugebilligt.