Moskau. Großer Druck, aber keine Angst: Am Samstag trifft das DFB-Team um 17 Uhr in Moskau auf Russland. Mit einem Sieg im Luschniki-Stadion wäre die Auswahl von Joachim Löw für Südafrika qualifiziert.

Es geht um die Zukunft und das Image des deutschen Fußballs, es geht aber auch um seine eigene Zukunft: Doch Joachim Löw lächelte betont lässig, als er am Freitag das überfüllte Atrium des mondänen Kempinski Baltschug Hotels in Moskau betrat. Der Bundestrainer war sichtlich bemüht, sich die große Anspannung vor dem Spiel des Jahres nicht anmerken zu lassen und stattdessen unerschütterliches Selbstvertrauen zur Schau zu stellen.

"Haben immer die Nerven behalten"

"Hatten wir schon jemals Angst? Wir haben immer die Nerven behalten, wenn es darauf angekommen ist", sagte der 49-Jährige vor dem vorentscheidenden WM-Qualifikationsspiel der deutschen Nationalmannschaft heute (17 Uhr/live im ZDF) in Moskau gegen Russland und ergänzte: "Wir haben einen klaren Plan und werden unsere Chance nutzen."

Es gebe ihm ein "gutes Gefühl, dass wir das Spiel nicht unbedingt gewinnen müssen. Wir müssen nicht auf Teufel komm raus alles auf eine Karte setzen. Wir hätten auch mit einem Unentschieden eine gute Ausgangslage", sagte Löw, dessen Team mit einem Sieg auf dem ungewohnten Kunstrasen-Platz im Luschniki-Park schon vor dem Gruppen-Finale für die WM 2010 in Südafrika qualifiziert wäre.

Taktik und Aufstellung behandelte der Bundestrainer mit Geheimhaltungsstufe eins. Für ihn sei dies aber ohnehin nicht entscheidend. Vielmehr sei "besonders wichtig", wie Michael Ballack und Co. die einzelnen Aufgaben umsetzen würden.

"Konzentration hochhalten"

"Wir müssen kompakt stehen, schnell auf Defensive, aber auch auf Offensive umschalten. Wir dürfen nicht nur reagieren, sondern müssen selbst Akzente setzen. Wir müssen den Mut und das Selbstvertrauen haben, das Spiel auch für uns zu entscheiden", sagte Löw und machte seinen Spielern in den vergangenen Tagen in Mainz und seit Donnerstagabend in Moskau immer wieder klar: "In solchen Spielen entscheiden Kleinigkeiten. Wir müssen die Konzentration hochhalten."

Die Überzeugung bei Löw, aber auch bei Spielern und bei Teammanager Oliver Bierhoff ist groß, dass der Vize-Europameister die Erwartungen erfüllt. "Ich sage ganz klar, dass wir als Sieger vom Platz gehen", tönte Philipp Lahm. "Wir haben in der Vergangenheit bewiesen, dass wir in den wichtigen Spielen auf den Punkt da sind", sagte Bierhoff - und Kapitän Ballack fügte an: "Wir haben es immer geschafft, die richtigen Ergebnisse zu erzielen, wenn es darauf ankam."

In der Tat spricht die Historie für den dreimaligen Welt- und Europameister. Auf sportlichem Weg hat eine DFB-Auswahl noch nie eine Weltmeisterschaft verpasst. Auswärts gab es zudem in WM-Qualifikationsspielen noch keine Niederlage. Gegen die Russen, die ihrerseits in der WM-Qualifikation zu Hause ungeschlagen sind, würde sogar schon ein Remis reichen, wenn die deutsche Elf am kommenden Mittwoch (18 Uhr/live in der ARD) das abschließende Qualispiel gegen Finnland gewinnt.

Premiere auf synthetischem Untergrund

Doch an Finnland, den Umweg Play-offs (14./18.11.) oder sogar ein Horrorszenario, eine WM ohne Deutschland, verschwendete keiner im DFB-Aufgebot einen Gedanken. Thema war ausschließlich das russische Team um Superstar Andrej Arschawin und nach wie vor der Kunstrasen im Luschniki-Park, zumal es für eine deutsche Mannschaft in der 101-jährigen Länderspiel-Geschichte die Premiere auf synthetischem Untergrund ist.

Laut Löw habe man aber "alles Menschenmögliche getan. Wir sind bestens vorbereitet". Ballack hatte zuvor bereits festgestellt, "dass der Kunstrasen keine Ausrede sein darf".

Auf den 33 Jahre alten Spielführer kommt in Moskau, wo er vor eineinhalb Jahren mit seinem FC Chelsea das Champions-League-Finale verlor, eine "sehr wichtige Rolle zu", verdeutlichte Löw. Dass Ballack dem Druck gewachsen ist, steht für den Bundestrainer außer Frage: "Er kann mit diesen Situationen besonders gut umgehen. Man spürt die Nervosität bei ihm nicht so wie bei anderen. Das ist für ihn eher eine Freude als Belastung."

"Handlungsschnelligkeit ist gefragt"

Über sein Personal wollte Löw ansonsten keine Auskunft geben. Nur soviel verriet er: "Wir brauchen auf jeden Fall Spieler, die den Ball präzise in den Fuß spielen können und sehr wendig sind. Handlungsschnelligkeit ist gefragt."

Wahrscheinlich ist, dass Lahm in einem zu erwartenden 4-2-3-1-System wieder auf die linke Verteidigerposition rückt. Auf rechts käme dann wohl der erfahrene Arne Friedrich zum Einsatz. Doch auch ein Debüt von Jerome Boateng scheint nicht ganz ausgeschlossen. Im Fünfer-Mittelfeld dürfte Simon Rolfes neben Ballack in der Defensiv-Zentrale den Vorzug vor dem formschwachen Thomas Hitzlsperger erhalten. Für den Ein-Mann-Sturm vor Spielmacher Mesut Özil besitzt Miroslav Klose die besten Karten.

Besonderes Augenmerk auf Arschawin

Besonderes Augenmerk will Löw bei den um einen Zähler schlechter platzierten Russen Angreifer Arschawin zukommen lassen, auf eine Sonderbewachung des England-Legionärs verzichtet er aber. "Das macht wenig Sinn. Er hat eine Schlüsselposition. Wir müssen versuchen, ihn zu doppeln und es als Mannschaft schaffen, dass er seine Freiheiten nicht ausspielt."