Dortmund. Schalkes Coach Felix Magath wirft wie Dortmunds Trainer Jürgen Klopp vor einem Jahr junge Spieler ins kalte Bundesliga-Wasser und baut dadurch seinen Bonus bei den königsblauen Fans aus.
Nach dem Aufwärmderbysieg im Pokal in Bochum stand Felix Magath in Dortmund erneut allein vor dem Schalker Fan-Block. Die Spieler waren lange vorher da, jetzt wollten die Anhänger den Trainer feiern. Wieder verneigte er sich, wieder ließ er die Welle schwappen. Magath war Meister mit Bayern, mit Wolfsburg, er hat im Fußball fast alles erlebt. Sein erstes Revierderby wird er garantiert auch nie vergessen. Für die Fans ist er bereits ein Gigant.
Auf der anderen Seite hatte die Szenerie ein paar Minuten nach dem Abpfiff etwas Gespenstisches. Vorsichtig schlichen die Dortmunder Spieler und Trainer Jürgen Klopp in Richtung Südtribüne, auf halbem Weg stoppten sie. Da oben auf den Rängen tobte sich die Wut aus, Fäuste wurden drohend nach vorne gereckt, das war den BVB-Profis nicht geheuer. Waren sie gemeint? Oder waren die Fans immer noch in Rage, weil sie die Jubelposen von Schalkes Torwart Manuel Neuer nicht ertragen hatten? Die Spieler hielten einen deutlichen Sicherheitsabstand ein. Zögerlich hob mal einer die Hände zum Applaus, und erst spät, sehr spät, kam schließlich doch noch Beifall von den Rängen zurück.
Klopp sorgte für Dortmunds Aufschwung
Das war in der vergangenen Saison noch ganz anders. Da bejubelte Dortmund den Aufschwung und Jürgen Klopp als dessen Symbolfigur, während sich die Schalker nicht selten von ihren eigenen Fans auspfeifen lassen mussten. Der Trainer hieß damals allerdings noch nicht Felix Magath.
Mit dem Mut und der Nervenstärke eines Bombenentschärfers setzte Magath in Dortmund in der Anfangself auf vier Jünglinge ohne Derby-Erfahrung. Lukas Schmitz, Carlos Zambrano, Christoph Moritz, Levan Kenia: keiner älter als 20, keiner in der vergangenen Saison in der Bundesliga am Ball. In der zweiten Hälfte kam auch noch Vasileios Pliatsikas hinzu, 21 und ebenfalls Debütant beim Traditionsduell der Revierrivalen. „Die jungen Spieler haben ihre Sache richtig gut gemacht”, lobte Magath. „So ein Derby zu gewinnen, in einem solchen Hexenkessel, das ist natürlich für einen 18- oder 19-Jährigen ein Riesenerlebnis. Das bringt diese Jungs nach vorn.”
Magath aber hat ihnen den Karriereweitsprung erst ermöglicht, indem er sie auf die Anlaufbahn schob. Sie danken es dem Trainer mit hohem Einsatz und erstaunlicher Abgeklärtheit. Wenn sie dann mal verlieren, wird es ihnen verziehen. Magath hat damit den Publikumsjoker gezogen.
Exakt auf diese Weise hatte Jürgen Klopp vor einem Jahr Bewegung in den erstarrten BVB gebracht. Eine neue Abwehr mit zwei damals 19-jährigen Innenverteidigern, eine Spielphilosophie, die Tempo und Engagement zu höchsten Tugenden erklärte: Für solche Maßnahmen gewähren Fußballfans im Ruhrgebiet gerne Kredit, auch langfristig.
BVB hat weniger Punkte gesammelt als Spiele absolviert
Genau deshalb kann Jürgen Klopp auch in diesen beunruhigenden Zeiten ungehindert weiterarbeiten. Der BVB hat bisher weniger Punkte gesammelt als Spiele bestritten: der schlechteste Saisonstart seit 21 Jahren. In vielen anderen Vereinen, aber auch in Dortmund zu anderen Zeiten, wären spätestens jetzt die Sägen aus dem Werkzeugkeller geholt worden, mit denen der Trainerstuhl bearbeitet würde. Klopp aber steht nicht zur Diskussion, und diesen Bonus hat er sich redlich verdient.
Aber: Auch dieser eloquente Redner und schlagfertige Sprüchelieferant ist kein Zauberer. Momentan tut auch er sich schwer damit, den Zustand zu erklären, er sagt Sätze wie diese: „Es ist klar, dass das eine alles andere als gute Situation ist. Aber wir müssen jetzt damit umgehen.” Er weiß natürlich: Sein Team braucht zügig Punkte, damit die Verunsicherung im Verein nicht zur Depression mutiert.
Vor dem Auswärtsspiel am Samstag in Mönchengladbach aber ist die Haltung einiger junger Spieler bedenklich. Sie sahen den BVB gegen Schalke als „klar besseres Team”, dem „lediglich das Glück gefehlt” habe – die Rückkehr in die Erfolgsspur stünde unmittelbar bevor. Da klang Kapitän Roman Weidenfeller doch deutlich realistischer: „Wir haben kein gutes Spiel gemacht”, meinte der Torwart. „Aber wenn wir uns jetzt verrückt machen würden, wäre das der falsche Ansatzpunkt.”