Gelsenkirchen. Im März 2011 endete auf Schalke die Ära Magath. Der Klub war so zerrissen, dass man schlimme Folgen fürchtete. Eine Kolumne.
Wenn man zurückdenkt, war vieles schön. Im Verdrängen sind wir ganz groß. Früher hat es zu Weihnachten geschneit, jedes Jahr. Früher war Nena eine Traumfrau, jaja, DIE Nena, die abgedrehte Coronaschwurblerin. Früher reichten uns drei TV-Programme, weil wir doch den Großen Preis und Dalli-Dalli hatten, das war spitze. Und früher war Schalke 04 ein ruhmreicher und gefestigter Fußballverein. Oder etwa nicht?
Alles eine Frage der Perspektive. Vor genau zehn Jahren, im März 2011, schien der Klub so sehr gespalten zu sein, dass er Gefahr lief, daran zu zerbrechen. Felix Magath hatte es geschafft, nicht nur Aufsichtsrats-Chef Clemens Tönnies, sondern auch einen beträchtlichen Teil der Fans davon zu überzeugen, dass Schalke innerhalb von vier Jahren tatsächlich Deutscher Meister werden könne – wenn man ihn nur mit genügend Macht ausstatten würde. Die Vizemeisterschaft im ersten Jahr gaukelte den richtigen Weg vor.
Schon in der zweiten Saison auf Schalke brach das System Magath zusammen
Doch schon in der zweiten Saison brach das System Magath zusammen. Der Zampano regierte als Sportvorstand und Trainer nach dem Motto: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Zweifler wurden beseitigt, aus Untergebenen wurden Unterworfene. Seine Transferpolitik basierte auf dem Prinzip Versuch und Irrtum. Als er wegen seines autoritären Führungsstils, der Erklärungen ausschloss, einen Großteil der Spieler gegen sich aufbrachte und sich der Mannschaftsrat bei Tönnies beschwerte, wusste der, dass er handeln musste: Denn Schalke war mit dem vermeintlichen Meistermacher sogar in Abstiegsgefahr geraten.
Diese Zeitung enthüllte damals exklusiv, dass spätestens zum Saisonende die Trennung erfolgen würde. Die Magath-Gläubigen wollten das nicht wahrhaben und protestierten. Es dauerte noch ein paar Tage, dann wurde die Ehe vorzeitig geschieden. Und nur zwei Tage später kehrte Felix Magath als Sport-Geschäftsführer und Trainer zum VfL Wolfsburg zurück.
Heldt und Rangnick räumten auf Schalke Magaths Trümmer weg
Abenteuerlich, was er sich zuvor mit Horst Heldt geleistet hatte. Den hatte er ursprünglich als Unterstützung vom VfB Stuttgart geholt, doch kurz danach in den Bereich Marketing abgeschoben – weil Heldt es gewagt hatte, selbstständig zu denken. Nun stieg Heldt zum Sportchef auf, und als neuen Trainer holte er einen Mann zurück, den der große Rudi Assauer 2005 rausgeworfen hatte: Ralf Rangnick.
Heldt und Rangnick versuchten nach Kräften, die Trümmer wegzuräumen, die Magath hinterlassen hatte. Der Manager wollte unbedingt Top-Torwart Manuel Neuer halten und stellte fest, dass „man ihn noch gar nicht so richtig gefragt hat“. Und der Trainer verzichtete ungewohnt auf geschickte Rhetorik und griff zum Vorschlaghammer: „Ich habe nicht das Gefühl, dass die Mannschaft irgendeine Idee hat, wie sie den Gegner in Bedrängnis bringen soll.“ Auch Kapitän Neuer beklagte, die Mannschaft habe „keinen Plan“.
Im Fan-Lager aber schimpften die Magath-Anhänger, die sich ihres Traums beraubt sahen, während sich die anderen wieder auf dem Pfad der Vernunft wähnten. Ein Riss ging durch Schalke. Paradiesische Verhältnisse waren das. Verglichen mit denen von heute.