Essen. Über einen japanischen Fußball-Profi im fortgeschrittenen Alter und vor allem über Spieler seiner Generation im Altherren-Team. Eine Kolumne.

Mein neuer Held heißt Miura. Kazuyoshi Miura. Der Japaner wird im nächsten Monat 54 Jahre alt und hat gerade seinen Vertrag beim Erstligisten FC Yokohama verlängert. Beneidenswert, der Mann. Denn er darf spielen. Ich nicht.

All das, was ich als Altherrenfußballer im Laufe der Jahre so erlebt habe, vermisse ich schon sehr, seit die Sportplätze geschlossen sind. Es geht ja nicht nur um das Spiel. Es geht ums Ganze.

Das ist Altherrenfußball

Altherrenfußball ist, wenn sich in der Kabine fünf Leute um die lediglich zwei kurzen XL-Hosen balgen.

Altherrenfußball ist, wenn vor dem Spiel von allen Geld fürs Trikotwaschen eingesammelt wird und der einzige Spieler, der früher in einer höheren Amateurliga am Ball war, verzweifelt den Kopf schüttelt: „Dass ich für Fußball mal bezahlen muss...“

Altherrenfußball ist, wenn kurz vor Anstoß noch einer fehlt, der dann in aller Ruhe mit einer Kippe im Mundwinkel aus der Kabine kommt und sagt: „Sorry, ich musste mich erst noch warm machen.“

Für fünf Minuten Luft...

Altherrenfußball ist, wenn einer direkt nach dem Anpfiff Vollgas gibt und auf die Verwunderung der anderen so reagiert: „Ich hab nur für fünf Minuten Luft und kann Euch nur so beeindrucken.“

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Altherrenfußball ist, wenn keiner je gelernt hat, im Raum zu verteidigen, und deshalb noch mit Manndeckung gespielt wird („Und wenn der Neuner zur Toilette geht, dann gehst Du mit!“).

Altherrenfußball ist, wenn jeder Ball kommentiert wird und der Rechtsaußen nach einem misslungenen Pass des mit ihm eng verwandten Mittelfeldspielers über den ganzen Platz brüllt: „Du bist nicht mehr mein Bruder!“

Altherrenfußball ist, wenn Mattes nach jedem Spiel dasselbe sagt: „Also, ich fand mich heute gut.“

Altherrenfußball ist, wenn jemand beim Einwurf ruft „Werf zu mir“, und ein anderer korrigiert: „Wirf! Imperativ zweite Person Singular!“

Altherrenfußball ist, wenn Salvatore nach dem Spiel Brötchen und Aufschnitt auspackt und mit dem schelmischsten aller Blicke und dem italienischsten aller Akzente fragt: „Wille einer Mortadella? Isse appegelaufen, füre Alte Erre reichte aber noch.“

Altherrenfußball ist, wenn der Schiedsrichter mit dem Finger auf den Punkt zeigt, „Elfmeter“ sagen will, nach dem „E“ aber die zornigen Blicke wahrnimmt und den Finger weiter schwingt: „E...Ecke!“

Altherrenfußball ist, wenn Metin im Vereinsheim lachend ruft: „Wo ist der Senf? Muss erst der Türke kommen, um Euch Deutschen zu erklären, dass zu Bockwurst und Frikadelle Senf gehört?“

Altherrenfußball ist, wenn man 0:2 verloren hat, danach beim Bierchen in der Kabine sitzt, den Platzverhältnissen, dem Ball und dem Schiedsrichter die Schuld gibt – und sich das Spiel so lange schön quasselt, bis man eigentlich doch 3:2 gewonnen hat.