Essen. Erwartungen an die Zukunfts-Taskforce der DFL waren groß. Doch Fanvertreter sind enttäuscht: Das Abschlusspapier kratzt nur an der Oberfläche.

Der Fußball lässt sich nicht aufhalten, auch nicht von einer Pandemie. Weil wegen der in Großbritannien stark auftretenden Corona-Mutationen strenge Reisebeschränkungen gelten, wurden mehrere K.o-Spiele des Europokals verlegt. Bundesligist RB Leipzig trägt deshalb sein Heimspiel in der Champions League am 16. Februar in Budapest aus, am gleichen Ort tritt Borussia Mönchengladbach kurz darauf am 24. Februar gegen Manchester City an. Die Fans fühlen sich bestätigt: Statt aus der Krise zu lernen, geht es immer weiter.

Der Fußball habe es verpasst, sich neu aufzustellen und im Dialog mit Fans Reformen anzustoßen, sagt etwa Dirk Kramer. Er ist Sprecher des Gladbacher Supporters Club, der Dachorganisation für alle Fans der Borussia. Doch: „Nichts dergleichen ist geschehen. Die Verbände versuchen stattdessen alles, um die bestehenden Strukturen beizubehalten: Der Ball muss rollen, auf Biegen und Brechen“, sagt Kramer.

Fan-Vertreter von Ergebnissen enttäuscht

Dabei soll doch alles anders werden. Oder wenigstens ein bisschen. Die Deutsche Fußball-Liga setzte eine Taskforce auf, um aus dem Innehalten in der Corona-Krise die richtigen Lehren zu ziehen. Experten und Vertreter aus Gesellschaft, Politik, Wissenschaft und Fanszene diskutierten miteinander. Doch das Abschlusspapier enttäuscht die Fans. „Es ist grotesk, dass der Reformwille trotz der anfänglich demütigen Einsicht so gering ausfällt“, sagt der Eintracht-Frankfurt-Anhänger Dario Minden, einer von sechs Fanvertretern der Taskforce. Man hätte sich einen größeren Impuls gewünscht.

Liga-Organisation bittet um Geduld

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Auch Helen Breit hat ein ungutes Gefühl. Die Vorsitzende des Vereins Unsere Kurve, einem großen Zusammenschluss von Fanorganisationen, ist eine gerne gehörte Stimme, wenn es darum geht, Fanbelange öffentlich zu artikulieren. Die Diskussionen innerhalb der Taskforce seien viel weitergegangen als das Abschlusspapier. Die 33-Jährige hatte der DFL dringend empfohlen, die „Protokolle der einzelnen Sitzungen zu berücksichtigen“. Warum kommt so wenig dabei herum? Diese Frage steht auch für sie unbeantwortet im Raum. „Wir wollen den Fußball ja nicht zerstören, sondern zukunftsfähig aufstellen.“

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Immerhin verkündete die DFL nun, dass sich das Präsidium in dieser Woche mit dem Ergebnisbericht befasst habe. Als erste Maßnahmen wurden ein interdisziplinärer Beirat gegründet und eine Arbeitsgruppe „in Bezug auf die wirtschaftliche Stabilität des Profifußballs“ beschlossen. Dazu ist eine Sondersitzung des DFL-Präsidiums geplant.

DFL bitte um Geduld bei der Umsetzung

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Die Liga-Organisation bittet bei der Umsetzung aber um Geduld. Es gehe schließlich um eine Zielsetzung für das Jahr 2030. „Angesichts der Komplexität vieler Einzelaspekte kann die Umsetzung von Maßnahmen inmitten der größten Krise der deutschen Nachkriegsgeschichte nicht von heute auf morgen geschehen, sondern nur schrittweise.“

Doch wie lange kann sich der deutsche Fußball wirklich Zeit lassen, will er nicht seine gesellschaftliche Akzeptanz verlieren? Für die engagierten Fanvertreter tickt die Uhr. „Wenn sich die Finanzkraft der Bundesligisten weiter so auseinander entwickelt, hat die Liga keine Zukunft. Dann wird die Übermacht des Geldes sowohl den sportlichen Wettbewerb als auch die Fußballkultur zersetzen“, mahnt der Frankfurter Minden. Mit einem nationalen Financial Fairplay, das beispielsweise auf „marktübliche Zuwendungen der Sponsoren“ achtet oder bei Überschreiten einer bestimmten Gehaltsgrenze eine Art Luxusteuer vorsieht, könne die Schere wenigstens ein wenig geschlossen werden.

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Minden warnt davor, dass durch den Einfluss von Investoren Klubs zu Spekulationsobjekten werden und die Bundesliga an emotionaler Bindung zu den Fans einbüßt. „Der Kern des Fußballs ist ein anderer. Er ist sozialer Kitt der Gesellschaft.“ Der 26-Jährige nimmt nur das Beispiel FC Bayern mit der harschen Reaktion auf den verspäteten Abflug zur Klub-WM in Katar, um zu schlussfolgern: „Die Branche ignoriert, wie weit sie sich von den Menschen wegbewegt.“

Nicht viel übriggeblieben

Daran knüpft auch die Diskussion um die Spielverlegung im Europapokal an. Die Verlegung zeige, dass „der Fußball auf das nackte Geschäft reduziert“ werde, sagt der Gladbacher Kramer. „Immer klarer wird, dass all das, was Fußball darüber hinaus erst für Fans ausmacht, dabei verloren geht.“ Er sorgt sich um das Verhältnis der Fans zu Klubs und Verbänden: „Tatsächlich besteht die Gefahr, dass sich einige Fans abwenden und nicht mehr in die Stadien zurückkehren, wenn es wieder möglich sein wird.“

Aus Sicht von Helen Breit ist von den großspurigen Ankündigungen vor knapp einem Jahr, mit der Corona-Krise mal Grundsätzliches zu hinterfragen, nicht viel geblieben. So ähneln die angekündigten Maßnahmen dem Versuch, bei einem Auto mit drohendem Motorschaden nur die offensichtlichen Lackkratzer glattzupolieren. Diese oberflächliche Reparatur sei gefährlich: „Auf Dauer funktioniert der Profifußball nicht als Produkt. Innovation nur voranzutreiben, um den Profit zu maximieren, kann nicht gelingen.“