Essen/Mönchengladbach. Die richtige Ernährung spielt im Profifußball eine immer wichtigere Rolle. Der Ernährungsberater von Borussia Mönchengladbach erklärt, warum.
Wenn sich die Fußballprofis von Borussia Mönchengladbach auf ein Spiel vorbereiten, kommt auch Melf Carstensen eine wichtige Rolle zu. Ihm geht es zwar auch um Fußball, allerdings nicht direkt. Denn er beschäftigt sich vor allem mit Kohlenhydraten, Proteinen, Fetten. Carstensen, 31 Jahre alt, ist Ernährungsberater des Bundesligisten vom Niederrhein. Er steht bei seinem Job im ständigen Austausch mit dem Trainerteam und Chefcoach Marco Rose. „Was auf den Tisch kommt, bestimmen wir“, sagt er. „Am Ende geht es aber auch um die Stimmung. Was wir vorgeben, sollen die Jungs auch gerne essen. Es geht um einen Spagat zwischen Ernährungsphysiologie und Sensorik.“
Borussia Mönchengladbach: Essen als Teambuilding
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Aus psychologischer Sicht ist das gemeinsame Essen ein entscheidender Faktor für die Teambildung. Im modernen Fußball nimmt die Ernährung aber auch für den physischen Bereich eine immer größere Bedeutung ein. Klubs und Spieler professionalisieren längst die Art zu essen. Maßgeblicher Grund ist die zunehmende Belastung, wie Carstensen erklärt: „Die physische Beanspruchung ist gestiegen, die Intensität in einem Spiel ist höher. Mittlerweile laufen die Spieler 10 bis 13 Kilometer. Die Zahl an Sprints ist gestiegen, auch die Sprintdistanzen sind größer geworden.“ Carstensen will die Profis für eine hohe Leistungsfähigkeit bestens präparieren.
2012 begann er bei der Borussia seine Arbeit als Ökotrophologe im Jugendbereich, seit 2016 ist er auch für den Profikader zuständig. Insbesondere der Tag vor einer Bundesligapartie, sagt Carstensen, sei besonders wichtig: „Dann versuchen wir, acht Gramm an Kohlenhydraten pro Kilogramm Körpergewicht zuzuführen. Das ist echt viel und auch gar nicht so einfach, gerade bei großen und schweren Athleten. Drei Stunden vor Anpfiff haben wir eine gemeinsame Mahlzeit. Dann gibt es ein großes Buffet, bei dem verschiedene Formen an Kohlenhydraten bereitstehen: ganz klassisch Pasta, aber auch Süßkartoffeln oder Quinoa, Obst ist natürlich auch dabei. Eine leichte Verdaulichkeit ist wichtig. Die Spieler sollen sich leicht und fit auf dem Platz fühlen.“
Nach einer Partie geht es dann in erster Linie um die Regeneration. „Auch da spielt die Ernährung eine entscheidende Rolle, um den Körper wieder in Schuss zu bekommen“, erklärt Carstensen. „Beim Mittagessen an einem Regenerationstag sind immer eine Fischmahlzeit, eine Fleischmahlzeit und eine vegetarische Mahlzeit dabei. Es gibt immer etwas aus allen Bereichen. An Fleisch kommt überwiegend Geflügel auf den Tisch. Ganz selten gibt es Schweinefleisch. Das liegt auch daran, dass wir einen sehr bunt gemixten Kader haben. Wir haben inklusive Staff etwa 50 Leute, die verköstigt werden wollen. Man muss einen Nenner finden. Da spielen Religion, Alter und Herkunft eine Rolle.“ Individuelle Umstände werden also stets berücksichtigt.
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„Die Ernährung hat einen Wandel genommen. Die Spieler achten viel mehr auf Qualität und Abwechslung“, sagt Rainer Schorer. Der 42-Jährige beliefert mit seiner Dortmunder Firma Ready-2-eat Bundesliga-Profis. „Sie essen nicht jeden Tag Fleisch, sondern wollen sich auch vegetarisch ernähren. Nachhaltigkeit und biologische Erzeugung nehmen einen viel größeren Stellenwert ein.“
Ex-DFB-Koch Rainer Schorer beliefert viele Profis
Schorer arbeitete von 2010 bis 2017 für den Deutschen Fußball-Bund. Er war der Koch, der der Nationalelf 2014 in Brasilien die Power für den WM-Titel gab. Danach baute er den Lieferdienst für Profis auf. Die Nachfrage stieg derart an, dass Ready-2-eat sein Hauptgeschäft wurde. Zu seinen Kunden zählen Spieler von Borussia Dortmund, Borussia Mönchengladbach, Bayer Leverkusen, Schalke 04. Sein Team serviert diskret und auf Wunsch täglich Mittag- und Abendessen, es berät in Fragen der Ernährung.
„Essen soll nicht nur satt machen. Der Spieler soll dadurch alle Nährstoffe aufnehmen können. Wir helfen ihnen dabei, bewusst zu essen, sich hinzusetzen, das Handy wegzulegen und sich Zeit zu nehmen“, sagt Schorer. Das schlägt sich auch sportlich nieder: „Bei den Spielern, die wir täglich besuchen, habe ich den Eindruck, dass sie fitter sind. Ernährung ist ein sehr wichtiger Bestandteil für die Leistungsfähigkeit eines Spielers. Wir stimmen das Essen auf den Trainingsplan und die Spiele ab. Wir kümmern uns darum, dass sie regenerieren können und ihre Energiespeicher aufbauen können. Ein Spieler, der sich ausgewogen ernährt, ist definitiv auch weniger verletzungsanfällig.“
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Bewusst und ausgewogen essen ist im Profisport nicht nur modisch, sondern notwendig, sagt auch Ernährungswissenschaftler Hans Braun von der Sporthochschule Köln: „Heutzutage wird mit einer höheren Intensität gespielt. Die Spieler benötigen entsprechend mehr Energie und haben einen höheren Kohlenhydrat-Bedarf. Die wenigsten schaffen es allerdings, diesen zu decken.“
Der 53-Jährige ist Lehrbeauftragter am Institut für Biochemie und Referent beim DFB. Er bildet angehende Fußballtrainer im Thema Ernährung aus, damit sie ihr Wissen schon früh in den Nachwuchsleistungszentren vermitteln können. „Mich macht es ratlos, wenn ich einen 23-jährigen Profi vor mir sitzen habe, der sich noch nie mit Ernährung beschäftigt hat. Warum wurden da nicht bereits in der Jugend Grundlagen gelegt?“, sagt Braun. „Um als Profi seine Leistung abrufen zu können, müssen zum Beispiel die Energiespeicher vor dem Spiel aufgefüllt sein. Das schaffe ich nicht ohne etwas Hintergrundwissen. Meiner Meinung nach gibt es in den Nachwuchsleistungszentren noch viel Potenzial.“
Flasche Beratung richtet Schaden an
Clean-Eating, Low-carb, Keto – die Trends sind vielfältig, und manche sind im Profisport mit Vorsicht zu genießen. Falsche Beratung könne auch viel Schaden in der Mannschaft verursachen, sagt Braun. „Optimierung kann zu einer Überdrehung des Systems führen, schließlich hat Essen auch eine soziale Komponente. Es soll Freude machen, entspannen.“
Besonders oft diskutiert wird der Verzicht auf Fleisch im Profisport. Manche Fußballer wie der Ex-Bochumer Andreas Luthe, heute Torwart bei Bundesligist Union Berlin, verzichten sogar ganz auf tierische Produkte. „Ich würde weder abraten noch empfehlen, sich vegan zu ernähren. Entscheidend ist die individuelle Lebenssituation des Spielers“, sagt Braun. Ihn ärgere, wenn daraus ein Wettbewerb gemacht werden würde. „Es gibt Spieler, die sich vegan ernähren. Und es gibt Spieler, die Fleisch essen. Beide können ihre Leistung bringen.“ Beliebt ist Veganismus bei den Profis offenbar nicht: „Der Vegan-Trend scheint nicht so groß zu sein, wie man es einst gedacht hat. Die Spieler versuchen sich eher ausgewogen zu ernähren.“
Keine Vegetarier bei Borussia Mönchengladbach
Bei den Gladbachern gebe es „immer mal Leute, die bewusst sagen, dass sie sich phasenweise vegetarisch oder vegan ernähren wollen“, berichtet Carstensen: „Es gibt auch welche, die Fleisch mehr in Maßen essen wollen. Einen richtigen Vegetarier und Veganer haben wir aber nicht im Kader.“ Eine vegane Ernährung sei zwar „machbar im Leistungssport, bedarf allerdings einen sehr genauen Planung und eines sehr guten Know-hows“.
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So müsse das Vitamin B12 bei einer veganen Ernährung „definitiv“ substituiert werden. Auch die Proteinzufuhr spiele eine Rolle. „Man kann auch vegan sehr gute Proteine zuführen“, sagt Carstensen. Aber: „Tierische Proteine haben bestimmte Aminosäuren, die sehr relevant sind für gewisse Prozesse. Man kann tierische Produkte nicht einfach weglassen und essen, was übrig ist. Das wäre zu kurz gedacht. Das funktioniert vielleicht kurzfristig, aber mittel- und langfristig erreichen gewisse Prozesse im Körper nicht das Potenzial.“