Essen. Zweitligist Dresden kann den Abstieg kaum noch verhindern. Chris Löwe attackiert die DFL. Aber die ist nicht allein schuld. Ein Kommentar.

Der Auftritt von Dynamo-Profi Chris Löwe nach dem 0:2 bei Holstein Kiel kann niemanden ernsthaft kalt lassen. Selbst wenn einen der drohende Abstieg des Zweitligisten nicht interessiert, selbst wenn einem der Fußball in der Corona-Krise egal ist: Da stand ein 31 Jahre alter Mann im Interview von Sky, der der Verzweiflung nahe war, der mit Tränen in den Augen das für ihn Unerklärliche in Worte fassen wollte.

"Glauben Sie ehrlich, dass einer von denen in der DFL, Christian Seifert oder wer auch immer, sich eine einzige Sekunde Gedanken macht, was bei uns in den Köpfen vorgeht? Das ist denen alles scheißegal", sagte Verteidiger Löwe nach dem Abpfiff. "Wir sind am Ende die, die den verfickten Preis bezahlen, für den ganzen Scheiß."

Nach Quarantäne: Acht Spiele in 22 Tagen

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Löwe spricht damit den Spielrhythmus von Dynamo Dresen an, der nach der 14-tägigen Zwangsquarantäne in der Tat grenzwertig ist: Binnen 22 Tagen müssen die Zweitliga-Fußballer achtmal Spielen. Nur vor dem letzten Saisonspiel am 28. Juni gegen den VfL Osnabrück hat Dresden eine Woche spielfrei. Löwe macht dafür die Deutsche Fußball-Liga verantwortlich: "Wir reißen uns den Arsch auf, alle drei Tage, und die sitzen in ihren 5000 Euro teuren Bürostühlen und entscheiden über unsere Köpfe hinweg."

Die Wut des früheren Dortmunders Chris Löwe ist leicht nachzuvollziehen. Die, die entscheiden, sind meist nicht die, die einem unmittelbaren Risiko ausgesetzt sind. Dynamo-Mittelfeldspieler Marco Hartmann hatte schon vor einem Monat in einem Spiegel-Interview kritisiert, dass die Spieler mit ihren "Ängsten und Fragen alleingelassen" worden seien. "Man hätte eine Möglichkeit finden müssen für die Spieler, die sagen: Ich habe Angst. Das hätten nicht die Vereine allein machen sollen, es hätte von der DFL kommen müssen."

Dresden fühlt sich als Verlierer der Corona-Krise

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Bis heute ist das offenbar nicht passiert, und so kochte das, was lange brodelte, nach der Niederlage bei Holstein Kiel über. Der Klassenerhalt in der zweiten Liga ist für Dynamo in ganz weite Ferne gerückt. Die Dresdener fühlen sich als Verlierer der Corona-Krise.

Aber am Ende bezahlt Dynamo Dresden auch selbst einen Teil des Preises. Schon vor der Corona-Zwwangspause war der Klub abstiegsgefährdet. Seit dem 15. Spieltag Ende November ist Dresden das Liga-Schlusslicht. Vielleicht hätte das Team von Trainer Markus Kauczinski den Klassenerhalt ohne Unterbrechung und mit Fans geschafft? Wahrscheinlich aber auch nicht.

Der deutsche Fußball muss sich infrage stellen

Das Abpfiff-Interview mit Chris Löwe ist berührend und wird in Erinnerung bleiben. Seine Kritik geht aber nicht weit genug. Ohne die Liga-Fortsetzung müssten einige Klubs um ihre Existenz, viele tausend Mitarbeiter um ihre Jobs bangen. Die Vereine sind auf TV- und Sponsorengelder angewiesen, die andernfalls ausgeblieben wären. Auch Dynamo Dresden. An diesem Umstand ist nicht die DFL allein schuld, sondern der deutsche Spitzen-Fußball insgesamt.

Das Streben nach immer mehr Profit, nach immer neuer Größe hat dazu geführt, dass die Vereine abhängig von wachsenden Einnahmen sind. Jetzt, da die Probleme dieser Entwicklung offensichtlich wurden, muss sich der deutsche Fußball fragen, ob er das weiterhin will, oder ob weniger nicht mehr sein könnte. Deshalb könnte die Corona-Krise am Ende etwas Gutes haben. Auch wenn Dynamo Dresden den bitteren Gang in die Dritte Liga antreten muss.