Essen. Am Donnerstag berät die Politik über Corona – und möglicherweise auch über die Bundesliga. BVB-Boss Watzke drängt auf eine Fortsetzung.

Es ist der Tag, auf den der deutsche Profi-Fußball mit Spannung wartet: An diesem Donnerstag besprechen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die 16 Ministerpräsidenten, wie es weitergeht im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Und der Fußball erhofft sich ein Signal, ob er bald wieder anpfeifen darf. Allerdings: Immer mehr Politiker dämpfen die Erwartungen, und auch in den Bundesligaklubs steigt die Skepsis, dass es jetzt schon eine klare Entscheidung gibt. Ein Überblick über die Szenarien und die Hauptfiguren.

Hans-Joachim Watzke

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Während sich viele seiner Kollegen derzeit wegducken, trommelt Borussia Dortmunds Geschäftsführer vehement für den baldigen Neustart. „Wir müssen so schnell wie möglich wieder spielen. Jede Woche später macht es kritischer“, forderte er im Spiegel-Interview. „Es ist völlig ausgeschlossen, dass erst im Juni gespielt wird, dann kannst du es gleich vergessen.“

Denn: „Wir haben ja noch neun Spieltage zu spielen, wir haben noch Relegationsspieltage. Und dann kommt der DFB-Pokal dazu. Und wir müssen damit rechnen, dass auch mal ein Spiel ausfällt.“

Christian Seifert

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Während Watzke in diesen Tagen den Lautsprecher in Sachen Corona gibt, ist Christian Seifert eher Leisetreter. Der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga gibt sich öffentlich betont demütig. „Wenn der Tag X kommt, werden wir bereit sein“, sagt er. „Aber es wäre anmaßend, ein Datum festzulegen.“ Das könne nur die Politik.

Dazu passt, dass er gegenüber der FAZ Obergrenzen für Spielergehälter und Beraterhonorare ins Spiel brachte. Auch Watzke forderte am Dienstagabend in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“, man müsse wieder „puristischer werden“, und monierte konkret „die Sachen wie Gold-Steak-Geschichten und die ganze Protzerei“.

Hinter den Kulissen aber tritt Seifert sehr bestimmt für die Interessen der Profiklubs ein, er ist permanent in Kontakt mit der Politik. So hat er dem Arbeitsministerium zugesichert, das Konzept für Geisterspiele an einigen Stellen noch zu verschärfen: Abseits des Feldes müssten Spieler und Verantwortliche nun Masken tragen. Vor dem Ligastart sollen alle Klubs ins Trainingslager und so eine Quarantäne-Situation herstellen. Das senkt das Risiko, dass Profis infiziert werden – kostet aber Zeit. Ein Neustart am 9. Mai, wie von der DFL ursprünglich erhofft, ist damit kaum zu halten.

Die Virologin

Ohnehin ist das Thema Quarantäne ein sensibles: Die DFL ist der Ansicht, dass für den Fall einer Corona-Infektion dank ihrer umfassenden Schutzmaßnahmen nur der betroffene Spieler in Quarantäne müsste. Die Münchener Virologie-Professorin Ulrike Protzer widerspricht: „Wenn es nach einem Bundesligaspiel einen Fall gibt, dann müssen die beiden Mannschaften in die Quarantäne.“

Die Sportminister

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Auch die Sportminister-Konferenz ist der Ansicht, dass „im Falle einer positiven Testung von Spielern und Betreuern Quarantänemaßnahmen für das betroffene Team erforderlich sind“. Das allerdings brächte den dann ohnehin eng getakteten Spielbetrieb gehörig ins Wanken. Letztlich müssen die Gesundheitsbehörden vor Ort entscheiden. BVB-Chef Watzke glaubt, dass es erst gar nicht zu Corona-Fällen kommt: „Ein Geisterspiel ist eine der sichersten Veranstaltungen überhaupt.“

Grundsätzlich bleiben die Sportminister „bei der Auffassung, den Spielbetrieb in Form von zuschauerlosen Geisterspielen ab Mitte respektive Ende Mai wieder zu ermöglichen“. Das erklärte das nordrhein-westfälische Sportministerium auf Anfrage dieser Zeitung. Der Beschluss soll „Grundlage sein für die Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder am Donnerstag über eine mögliche weitere Öffnung der Gesellschaft“.

Angela Merkel

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Aber wird es auch eine Entscheidung geben? Für Angela Merkel gilt, was sie im März in ihrer ersten Rede zu Corona vorgab: „Wir müssen das Risiko, dass der eine den anderen ansteckt, so begrenzen, wie wir nur können.“ Aktuell heißt das aus ihrer Sicht: Weil man erst 14 Tage später beurteilen kann, was die Lockerungen seit Montag für Folgen haben, kann man auch erst am 6. Mai über weitere Lockerungen beraten. Sollte sie damit auch den Fußball meinen, hieße das: Der Neustart am 9. Mai ist hinfällig, der 16. Mai höchst unrealistisch – nicht wenige in der Branche richten sich daher schon auf den 23. Mai ein. Mit jeder Verschiebung aber wächst der Termindruck, denn die Liga will die Saison bis Ende Juni beenden.

Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer allerdings wollte sich am Mittwoch nicht einmal auf den 6. Mai festlegen lassen: „Für die Neubewertung ist das aktuelle Infektionsgeschehen entscheidend“, betonte sie.

Armin Laschet

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Lascht gehört zu den Fürsprechern weiterer Lockerungen, auch in Sachen Bundesliga. Inzwischen aber äußert sich der CDU-Politiker ähnlich abwartend wie Merkel: „Wir haben uns darauf verständigt, über weitere Maßnahmen erst zu entscheiden, wenn wir valide Zahlen dazu haben, wie sich die ersten Öffnungen ausgewirkt haben“, sagte er dieser Zeitung. „Da diese Zahlen am Donnerstag noch nicht vorliegen, werden wir über mögliche größere gemeinsame Öffnungsschritte frühestens am 6. Mai sprechen können.“

Die Kritiker

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So manchem fehlt ohnehin das Verständnis für die Eile: Jochen Vollmann, Leiter des Instituts für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin in Bochum, kritisiert, dass Menschen, die sich auf Covid-19 testen lassen wollen, abgewiesen würden, während die Profis zweimal wöchentlich getestet werden sollen. „Solange dies der Fall ist, halte ich eine Fortsetzung der Bundesliga medizinethisch nicht für vertretbar“, sagte er dieser Zeitung. Ähnlich sieht es der SPD-Gesundheits-Experte Karl Lauterbach. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte sagte der „Welt“: „Überall schreiben wir vor, dass die Menschen Abstand halten sollen – und dann lassen wir auf einmal eine Veranstaltung mit Körperkontakt zu? Das trägt nicht gerade zu besonderer Glaubwürdigkeit bei.“

Auch Fans kritisieren die Pläne der DFL vehement: „Eine baldige Fortsetzung der Saison wäre blanker Hohn gegenüber dem Rest der Gesellschaft und insbesondere all denjenigen, die sich in der Corona-Krise wirklich gesellschaftsdienlich engagieren“, heißt es in einer Stellungnahme des Bündnisses „Fanszenen Deutschlands“ – eines Bündnisses vieler Fußball-Fan-Gruppierungen.