Der frühere BVB-Profi Neven Subotic spricht im Interview über Gehaltsverzicht und Folgen der Corona-Krise für die Fußballwelt jenseits der Stars.

Eigentlich würde Neven Subotic (31) auf dem Fußballplatz stehen, aber durch die Corona-Pandemie ruht der Ball – und auch der Innenverteidiger von Union Berlin ist zur Heimarbeit verdammt. Untätig aber ist er nicht: Der frühere Profi von Borussia Dortmund steckt viel Zeit in seine Stiftung, mit der er Menschen in Äthiopien den Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglicht. Und als Mitglied im Spielerrat der weltweiten Fußballprofi-Gewerkschaft Fifpro beschäftigt er sich gerade viel damit, wie die Krise jene trifft, die nicht zu den Topstars der Branche gehören. Im Interview spricht er über prekäre Arbeitsbedingungen, das schwierige Thema Gehaltsverzicht – und fehlende Solidarität der Klubs.

Sehr viele Menschen fragen sich derzeit, was Fußballprofis im Homeoffice machen. Sie tun wahrscheinlich viel für Ihre Stiftung.

Neven Subotic: Dafür geht tatsächlich ein Großteil meiner Zeit drauf. Derzeit überlegen wir, wie wir in der aktuellen Situation auch hier in Deutschland der Gesellschaft helfen können. Denn wir haben viele Unterstützer, die sich auch an uns orientieren. Wir wollen denen Orientierung bieten, die helfen wollen, aber nicht wissen wie. Diese Verantwortung tragen wir gerne, es ist auch eine Herausforderung. Aber man sieht zurzeit bei allen schlechten Nachrichten auch so viel Gutes, so viel gesellschaftliche Solidarität, dass uns das viel Mut gibt, weiterzumachen.

Und ansonsten…

Subotic: Ansonsten ist es wie im Trainingslager: Morgens aufstehen, Stabilisations- und Krafttraining, Laufen, dann Frühstücken. Wenn du das als Sportler nicht machst, fehlt dir spätestens am zweiten Tag etwas.

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Fällt das schwer ohne die gewohnte Struktur?

Subotic: Ich bin diszipliniert, das kann ich gut. Es ist doch klar: Wenn es jetzt weitergeht, geht es um die Wurst, dann muss jeder da sein. Wir wissen nicht, ob wir dann eine, zwei oder drei Wochen Vorbereitung haben. Ich bereite mich so vor, dass ich weiß: Sobald der Anruf kommt, bin ich bereit, 100 Prozent zu geben.

Derzeit hört man oft die Forderung nach einem Gehaltsverzicht der Profis, um die Klubs zu entlasten. Sie sind Mitglied im Global Player Council der weltweiten Spielergewerkschaft Fifpro – wie ist da die Position dazu?

Subotic: Dazu muss ich etwas ausholen: Die Fifpro gibt zehntausenden Spielern weltweit eine Stimme. Nur ein Bruchteil davon sind die, die wir im Fernsehen sehen, deren Namen wir kennen, die vor vollem Haus spielen. Die meisten verdienen nur wenige tausend oder teils nur einige hundert Euro monatlich – die brauchen ihr volles Gehalt. Die großen Stars sind nicht einmal die Spitze des Eisbergs, sie sind die Spitze der Spitze des Eisbergs. Der ganze restliche Eisberg, den wir nicht sehen, muss aber auch berücksichtigt werden. Da sprechen wir über sehr junge Zeitarbeiter, die oft unter großem Druck in fremden Ländern arbeiten. Wenn die plötzlich kein Einkommen mehr haben, können sie ja nicht einfach auf etwas anderes umschulen. Sie sind Arbeitnehmer und sollten entsprechend auch Rechte haben.

Die können sich also keinen Gehaltsverzicht leisten?

Subotic: Und nicht nur die. Schauen wir in Deutschland in die 3. Liga oder die Regionalligen. Da sind sehr viele junge Fußballer, die auch nicht am Monatsende ein paar tausend Euro rumliegen haben. Gerade junge Spieler verdienen generell nicht so viel, wenn sie nicht gerade bei Bayern, Dortmund oder Leipzig angestellt sind. Und was ist mit Langzeitverletzten? Was ist mit Spielern, deren Vertrag im Sommer auslaufen und die danach Stand jetzt nichts haben? All diese Fälle müssen wir beachten. Und das braucht Zeit. Und lassen Sie mich noch etwas sagen.

Bitte.

Subotic: Von Spielern wird aktuell Solidarität gefordert, und das ist nicht nur jetzt, sondern generell auch richtig. Aber was ist mit den Vereinen? Da scheint das Niveau der Solidarität niedrig, da habe ich kaum gehört, dass Vereine bereit sind, sich gegenseitig zu unterstützen. Jeder achtet auf sich selbst, alle schauen nur nach oben und hoffen auf Solidarität, aber keiner schaut nach unten und ist selbst solidarisch. Es zeigt, dass die Kommerzialisierung des Fußballs als Geschäftsmodell die Werte des Sports überschattet.

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Welche Rollen spielen denn Prämienzahlungen?

Subotic: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Die Bezahlung der meisten Fußballer ist zu großen Teilen leistungsbedingt. Die, die ein schlechtes Jahr haben oder wenig spielen können, verdienen deutlich weniger. Und im Moment ist vollkommen unklar, was mit diesen Zahlungen passiert. Wir wissen nicht, ob es weiter geht und wenn ja, unter welchen Bedingungen. Und das stellt uns vor die große Frage, wie wir mit solchen Spielern umgehen, die bislang kaum gespielt und entsprechend wenig Prämien bekommen haben? Die im gleichen Maße zur Kasse zu bitten wie diejenigen, die spielen durften, ist unfair.

Sie sprachen auch von Langzeitverletzten.

Subotic: Auch ein schwieriges Thema. Deutschland ist eines der Länder, welches da die geringste Sicherheit bietet. Es gibt Lohnfortzahlungen für sechs Wochen, danach zahlt der Verein gar nichts. In anderen Ländern und Ligen ist man da deutlich weiter, da gibt es 12 oder sogar 18 Monate Sicherheit. Das ist natürlich auch eine ganz andere Form von Solidarität und Sicherheit für die Spieler. In Deutschland sind die für schlechte Zeiten nicht über ihren Arbeitgeber abgesichert. Und dann ist da das Gehaltsgefälle. Wir spielen alle in einer Mannschaft. Aber manche verdienen mehr als der Klubchef, andere nur so viel wie die Azubis. Über Frauenmannschaften haben wir noch gar nicht gesprochen, da sind die Einnahmen ja deutlich geringer als bei den Männern. Das alles muss beachtet werden. Und das ist der Grund, warum wir nicht voreilig Entscheidungen treffen oder Empfehlungen geben. Es ist sehr, sehr schwierig, eine Lösung für alle zu finden. Doch es ist wichtig, mit allen Beteiligten darüber zu sprechen und dieser Stimme Kraft durch die Solidarität des Spielerverbands zu geben.

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Das klingt kompliziert.

Subotic: Es ist hochkompliziert und lässt sich vermutlich gar nicht wirklich gerecht lösen. Da sind die Führungsspieler in den Mannschaften gefordert, gemeinsam mit den Klubs eine Lösung zu finden. Wir Spieler möchten ja solidarisch sein, vor allem mit den Mitarbeitern der Klubs. Wir alle sind ja dahin gekommen, wo wir heute sind, weil wir den Fußball lieben, den wollen wir erhalten. Aber um eine Entscheidung zu treffen, braucht man auch konkrete Informationen über Zukunftsszenarien. Jedes Unternehmen bestreitet Risikomanagement und dabei ist es wohl richtig, die anderen Stakeholder nicht außen vor zu lassen. Da müssen die Klubs Transparenz zeigen.

Im Juni laufen viele Verträge aus.

Subotic: Auch das zeigt, dass die Ungewissheit für die meisten Spieler noch viel größer ist als für die Klubs. Wenn die Saison irgendwann zu Ende gespielt wird, ist eine wichtige Frage ja auch: Wie groß soll denn die Pause sein, bevor es wieder losgeht? Je kürzer die Pause ist, desto größer ist das Verletzungsrisiko – und das trägt ja vor allem der Spieler. Das alles muss geregelt werden. Nicht sofort, vieles ist ja unklar. Aber irgendwann muss es eine Entscheidung geben..

Was halten Sie von der Option, die Saison um ein, zwei Monate zu verlängern – und damit auch die auslaufenden Verträge der Spieler?

Subotic: Auch da liegt das Risiko vor allem bei den Spielern. Wer sich in dieser Zeit schwer verletzt und keinen Folgevertrag hat, ist danach arbeitslos. Ich glaube aber trotzdem, dass die meisten Spieler dazu bereit wären. Es wäre ja letztlich nur eine Verlängerung der Saison. Und Fußballer möchten in erster Linie Fußball spielen, das Finanzielle kommt erst an zweiter Stelle – auch wenn das nicht immer klug ist. Ich bin mir aber sicher, dass wir alle zusammen tragfähige Lösungen finden, die dem Fußball in Gänze dienlich sind. Letztendlich müssen das Gemeinschaften lösen, nicht Individuen, wir brauchen gemeinschaftliche Lösungen, nicht Individuallösungen – so wie die Herausforderungen aktuell die gesamte Gesellschaft betreffen.