München. Im Finale der Klub-WM in Katar stehen am Samstag Flamengo Rio und der FC Liverpool. Der frühere Top-Stürmer Giovane Elber beurteilt die Teams.

Sein Deutsch ist perfekt, bayrischer Zungenschlag inbegriffen. Giovane Elber lebt abwechselnd in München und in Londrina im Bundesstaat Parana in seiner Heimat Brasilien. Der 47-Jährige beobachtet intensiv den Fußball in Südamerika und in Europa. An diesem Samstag interessiert ihn ein Spiel besonders: Das Finale um die Klub-Weltmeisterschaft in Katars Hauptstadt Doha zwischen dem Copa-Libertadores-Sieger Flamengo Rio de Janeiro und dem Champions-League-Gewinner FC Liverpool (18.30 Uhr/DAZN).

Erinnern Sie sich noch an den 27. November 2001?

Giovane Elber: Welch eine Frage! An diesem Tag haben wir mit den Bayern den Weltpokal geholt, in Tokio den Titelverteidiger Boca Juniors aus Buenos Aires 1:0 besiegt. Sammy Kuffour hat das Tor gemacht. Weltpokal – was Größeres gibt es nicht. Gerade für mich als Brasilianer, dieser Cup zählt mehr als alles andere.

Wie war es damals?

Die Argentinier hatten sich nur auf dieses Finale konzentriert, die Meisterschaft war längst erledigt. Einen Monat vor dem Endspiel sind sie nach Japan gefahren, wir dagegen erst drei Tage vorher. Wir kamen uns wie Touristen vor. Die Zeitverschiebung, kaum Gelegenheit, sich zu akklimatisieren. Doch unser Trainer Ottmar Hitzfeld, der alte Fuchs, hat alles richtig gemacht. Kein Training, nur Entspannen und Ruhe im Hotel.

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Und noch ein Datum dürften Sie im Kopf haben: 13. Dezember 1981.

Natürlich, wie alle Brasilianer. Es war der große Tag von Flamengo, der Tag von Zico. Die Mannschaft machte sich unsterblich beim 3:0 gegen Liverpool. Weltpokalsieger – ganz Brasilien feierte und jubelte wie beim Gewinn einer Weltmeisterschaft.

Nun kommt es zu einer Neuauflage des Finals von damals: Copa-Sieger Flamengo gegen Liverpool, den Gewinner der Champions League.

Ich fiebere diesem Match entgegen. Es treffen zwei exzellente Mannschaften aufeinander, wahrlich in diesem Jahr die besten aus Südamerika und Europa.

Sie leben abwechselnd auf Ihrer Rinderfarm in Brasilien und in Bayern, Sie kennen also den Fußball auf beiden Kontinenten. Wie ist Ihre Einschätzung? Ist das Niveau in Europa höher als in Südamerika?

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Ich glaube schon. Vergleiche fallen immer schwer, doch meiner Meinung nach ist der Fußball in Europa von besserer Qualität. Allgemein gilt: Der Fußball in Lateinamerika ist nicht so temporeich und dynamisch wie in Europa. Es hat Gründe: das Klima, die Hitze bis zu 40 Grad sowie das harte Programm, alle drei Tage ein Spiel. Zudem verlassen die guten Fußballer recht jung die Ligen und wechseln nach Europa.

Rafinha war bei den Bayern nur Ersatz, nun ist er bei Flamengo ein Stammspieler.

Das ist ein gutes Beispiel. Es zeigt auch, dass die Profis, die jahrelang in den Topligen Europas gespielt haben, es sehr einfach haben, wenn sie in ihre Heimat zurückkehren. Sie haben auf einem hohen Level gespielt, verfügen über reichlich Erfahrung und haben so leichtes Spiel. Filipe Luis, der bei Chelsea und Atletico Madrid lange engagiert war, ist auch so ein Fall.

Was zeichnet die aktuelle Flamengo-Mannschaft aus?

Es ist eine eingespielte Elf, es wurde auch in der Liga kaum rotiert, die meisten Stammspieler haben selbst im Drei-Tage-Rhythmus durchgespielt. Es ist das Verdienst des Trainers Jorge Jesus, so ein Team geformt zu haben, das überlegen mit riesigem Vorsprung die Meisterschaft gewonnen hat.

Der Portugiese Jesus ist bekannt für sein leidenschaftliches Coachen und seine ausgeprägte Emotionalität. Gleicht er in dieser Hinsicht seinem Liverpooler Gegenüber Jürgen Klopp?

Beide sind ähnlich, sehr engagiert an der Seitenlinie, können nicht still auf der Bank sitzen. Beide sind so Teil der Mannschaft. Mit dieser Art sind sie sehr erfolgreich.

Wird Jesus nun in Brasilien anerkannt, wo es traditionell Vorbehalte gibt gegen ausländische Trainer?

Auch Jesus musste anfangs viel Kritik einstecken, besonders von einem Altmeister wie Vanderlei Luxemburgo, Erfolgstrainer bei Flamengo und bei der Selecao. Nach dem Motto: Was will uns der Portugiese denn beibringen? In Brasilien ist immer noch die Einschätzung weit verbreitet: Wir haben die besten Fußballer und auch die besten Trainer.

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Sie waren ein Weltklassestürmer, können daher Torjäger gut einschätzen. Was macht Gabriel Barbosa, den Doppeltorschützen aus dem Copa-Finale, aus?

Er ist ein Phänomen. Du siehst ihn wie im Endspiel von Lima 90 Minuten nicht, dann hat er zwei Chancen und macht zwei Tore. Vor Jahren stand er auf einer Stufe mit Neymar, doch dann stockte seine Entwicklung. In Mailand hat er keinen Fuß gefasst. Doch nun ist „Gabigol“, wie er bezeichnet wird, zielstrebiger, hat dazu gelernt, besitzt Selbstvertrauen. Für mich das Werk von Jorge Jesus. Doch noch mehr gefällt mir ein anderer Stürmer.

Wer?

Bruno Henrique, ein geiler Kicker, enorm schnell, torgefährlich, dazu mannschaftsdienlich. Von seinen Vorlagen hat auch „Gabigol“ sehr profitiert.

Bei Flamengo blüht er auf, in Wolfsburg ging er in der Saison 2016/17 unter.

Richtig, mir ist Bruno Henrique in der Bundesliga nicht aufgefallen. Doch nun ist er ein Großer, ist zum Nationalspieler geworden.

Lassen Sie uns über Liverpool reden. Was zeichnet die Engländer aus?

Ein Blick auf die Tabelle sagt alles: Einsam in der Premier League an der Spitze, noch unbesiegt in dieser Spielzeit. Es ist das Meisterstück dieses Trainers. Jürgen Klopp hat das Team im Griff.

Wo sehen Sie die Stärken Liverpools?

Eindeutig in der Offensive, mit den blitzschnellen Umschaltaktionen. Da ist Sadio Mane, der eine herausragende Saison spielt, da ist Mohamed Salah, und da ist Firmino. Nicht lachen jetzt! Das Trio ist ein magisches Dreieck. Es wird für Flamengo eine schwere Aufgabe, diese Angriffswucht unter Kontrolle zu bringen.

Doch nicht nur dieser Paradesturm macht es aus. Oder?

Natürlich nicht, die Mannschaft ist in allen Mannschaftsteilen optimal besetzt. Neben Firmino spielten dabei zwei andere Brasilianer eine tragende Rolle. Alisson Becker ist momentan der weltbeste Torwarts noch vor Manuel Neuer, Fabinho, der Sechser, ist einer der besten in diesem Fach. Und dann haben wir noch einen Virgil van Dijk, das Maß aller Dinge gegenwärtig bei den Verteidigern.

Van Dijk war nur Zweiter beim „Ballon d‘Or“. Wird die Ausnahmestellung des Niederländers überall gewürdigt?

Messi hat wieder gewonnen, dank des Messi-Bonus. Ich liebe Messi, seine Spielweise, ich liebe ihn mehr als Cristiano Ronaldo. Er ist der beste Spieler auf der Welt. Doch van Dijk war der beste Spieler in diesem Jahr.

Letzte Frage: Wann werden wir Ihren ehemaligen Klub, die Münchener Bayern, wieder mal bei einer Klub-WM sehen?

Schon recht bald, wie ich hoffe. In der Champions League läuft es bestens bisher, als einzige Mannschaft haben die Bayern alle Spiele gewonnen. Doch das zählt nicht, wichtig ist die K.o.-Runde. Und da muss alles passen. Es ist nicht so leicht, in diesen entscheidenden Momenten bereit zu sein. Es ist deshalb nicht so einfach, die Champions League zu gewinnen.