Minsk. Vier Jahre lang trainierte Bernd Stange die weißrussische Nationalmannschaft. „Ich kam gut mit der Mentalität der Menschen klar“, erzählt er.

Bernd Stange erinnert sich noch gut an ein Telefonat, das er geführt hat, kurz bevor ihn sein ungewöhnlicher Weg 2007 nach Weißrussland führte. Da meldete sich ein gewisser Horst Hrubesch, damals Jugendtrainer beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), und berichtete, wie schön es doch sei in diesem Land im Osten Europas. Vor allem Minsk, die Hauptstadt, sei besonders. „Ich habe ihm erstmal nicht geglaubt“, sagt Stange jetzt, viele Jahre später, im Gespräch mit dieser Redaktion. „Aber er hatte recht.“

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Das konnte am Freitag auch die deutsche Nationalelf bestaunen, als sie am Abend in Weißrussland landete und an den vielen Parks der Stadt vorbei in ihr Hotel in Minsk fuhr. Die breiten Straßen und die Architektur erinnern an die Sowjetunion. Fast-Food-Filialen aus den USA verraten, dass auch hier längst der Kapitalismus die Wirtschaft prägt. Heute müssen es sich die Profis dann noch einmal im Bus bequem machen, weil ihr zweites Qualifikationsspiel für die Europameisterschaft 2020 (20.45 Uhr/RTL) im gut eine Stunde entfernten Borissow stattfindet. Eine Partie, in die Deutschland als klarer Favorit geht.

2008 erreichte Weißrussland ein 2:2 gegen Deutschland

Es existieren nur wenige Berührungspunkte zwischen dem DFB und dem weißrussischen Fußballverband. Vor fast sieben Jahren hat sich der FC Bayern in der Champions League gegen Bate Borissow (1:3) blamiert. 2008 erreichte Weißrussland in einem Testspiel gegen Deutschland ein 2:2. Genauer in jener Zeit also, in der Stange einer von den rund neun Millionen Einwohnern des Landes war.

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„Ich glaube aber nicht, dass so eine Überraschung noch mal möglich ist“, meint er. Der Fußball stagniere derzeit. Die Nationalmannschaft steht nur auf dem Platz 81 der Fifa-Weltrangliste. Alexander Hleb, der in den letzten Jahren beste Fußballer des Landes, ist mit seinen 38 Jahren mittlerweile in die Jahre gekommen. Derzeit steht er noch nicht mal im weißrussischen Kader. Überhaupt merke man, so Stange, „dass Eishockey dem Präsidenten Alexander Lukaschenko wichtiger ist“.

Wobei nicht nur dem Präsidenten. Die Weißrussen lieben es, sich die Sportart auf dem Eis anzuschauen. An Spieltagen füllen sie die Arenen. Zur ersten Fußballliga pilgern hingegen im Schnitt nur wenige Tausend Anhänger. Derzeit prangen an den Hauswänden in Minsk zudem Werbeplakate für die European Games 2019 vom 21. Juni bis zum 1. Juli. Für das Länderspiel heute wird nicht geworben.

Stange: "Ich kam gut mit der Mentalität der Menschen klar"

Trotzdem hat Stange seine vier Jahre in Weißrussland genossen. „Ich kam gut mit der Mentalität der Menschen klar“, erzählt er. Das Kollektiv bedeute alles, Individualität hingegen nichts. Auch deswegen werde der Trainer mit großem Respekt behandelt. „Vielleicht konnte ich mich aufgrund meiner Vergangenheit besser darauf einlassen“, sagt der Trainer, da er in der DDR aufgewachsen sei und dort als Trainer in Klub- und Auswahlmannschaften tätig war. Derzeit lebt er in Jena.

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Wie frei sich die Menschen in Weißrussland aber wirklich fühlen dürfen, ist umstritten. Viele Menschenrechtsorganisationen kritisieren den Präsidenten Lukaschenko. Dieser regiert das Land bereits seit 1994 und versucht dabei, die freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit massiv einzuschränken. Auch Großdemonstration gegen die Regierung ließ er brutal niederschlagen.

Stange selbst hat allerdings schon in vielen kritischen Regionen der Welt gearbeitet. Nach seinen desaströsen Erfahrungen in Syrien Anfang des Jahres gönnt er sich derzeit eine Auszeit. Das Spiel heute werde er aber gucken, sagt er, und vielleicht gebe es ja doch eine Sensation. „Die einzige Chance für Weißrussland ist, dass alles gegen sie spricht.“