Minsk. . Das DFB-Team muss sich am Samstag in der EM-Qualifikation in Weißrussland neu finden. Vertretungstrainer Marcus Sorg erwartet hohe Konzentration.

Füchse, überall Füchse: Zwischen den Wohnsilos, die die Straßen ins Stadtzentrum von Minsk säumen, sind sie auf gigantischen Plakaten zu sehen. Auf großen Plätzen vor ebenso großen Gebäuden der weißrussischen Hauptstadt stehen sie als überlebensgroße Aufsteller. Und auch auf Videoleinwänden sieht man sie herumlaufen, Fahrrad fahren oder Volleyballspielen. Lesik der Wüstenfuchs, das Maskottchen der European Games, ist omnipräsent in Minsk – als Erinnerung, dass hier Ende des Monats eine Art europäisches Olympia stattfindet. Dass schon am Samstag im nur 70 Kilometer entfernten Borissow die weißrussische Fußballnationalmannschaft die deutsche in einem EM-Qualifikationsspiel (20.45 Uhr/RTL) empfängt, davon sieht man im Straßenbild der Hauptstadt: nichts.

Ex-Bundesligaprofi Alexander Hleb fehlt

Fußball genießt hier, im tiefen Osteuropa, einen überschaubaren Stellenwert, und so sind die Rollen klar verteilt: Weltrussland ist in der Fifa-Weltrangliste auf Platz 81 zu finden, auf Augenhöhen mit Uganda und Curacao. In der EM-Qualifikation setzte es bislang ein 0:4 in den Niederlanden und ein 1:2 in Nordirland. Der mit Abstand bekannteste Fußballer des Landes, der frühere Stuttgarter Alexander Hleb, ist inzwischen 38,vereinslos –und deswegen auch nicht im Kader. Anton Putsila hat immerhin mal für den Hamburger SV und den SC Freiburg gespielt, aber das ist auch schon wieder fünf Jahre her.

Die deutsche Nationalmannschaft kann da deutlich mehr Prominenz und Qualität aufbieten. Nach einem schwierigen Jahr steht sie immerhin noch auf Ranglistenplatz 13, zuletzt hat sie die Niederlande mit 3:2 besiegt. Trotzdem wird Angreifer Marco Reus regelrecht wütend, als er das Gefühl bekommt, dass nur um die Höhe des Sieges geht. „Sie meinen also, dass wir Weißrussland einfach so 5:0 weghauen?“, fragt er einen Journalisten mit scharfer Stimme. „Das wird kein einfaches Spiel.“

Leroy Sane (vorne) und Julian Draxler: Zweikampf zwischen zwei Ex-Schalkern.
Leroy Sane (vorne) und Julian Draxler: Zweikampf zwischen zwei Ex-Schalkern. © Roland Weihrauch

Die junge Mannschaft steht vor einer Charakterprobe, sie muss nach dem Gipfeltreffen mit den Niederlanden beweisen, dass sie auch die Mühen der Tiefebene seriös bewältigen kann. Und das drei Wochen nach dem letzten Ligaspiel, praktisch aus dem Urlaub heraus. „Es gehört zum Anforderungsprofil eines Nationalspielers, nach einer kurzen Pause die Motivation und Konzentration sehr schnell wieder hochzufahren“, fordert Assistenztrainer Marcus Sorg, der den wegen einer Sportverletzung fehlenden Bundestrainer Joachim Löw ersetzt. „Egal gegen wen wir spielen, es ist die Pflicht und der Anspruch an jeden Spieler, dass er keinen Unterschied macht – den machen wir als Trainer in der Vorbereitung ja auch nicht.“

Sicherheitshalber war für diese Vorbereitung eine ganze Woche im niederländischen Venlo angesetzt, um fernab von jeglichem Trubel konzentriert zu arbeiten. Auch das Abschlusstraining absolvierte das DFB-Team in den Niederlanden, erst am späten Freitagnachmittag kam die Mannschaft in Minsk an. Bei einem Auswärtsspiel in Frankreich oder England hätte man das sicher anders gemacht, was auch zeigt: Bei allem Starkreden bleibt Weißrussland ein Pflichttermin auf dem Weg zur EM 2020.

DFB-Kapitän Neuer: "Auf uns kann man sich verlassen"

Darauf sind alle Planungen ausgerichtet in dieser Mannschaft, in der so vieles in Bewegung ist: Die alten Platzhirsche Jerome Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller sind aussortiert, Mittelfeld-Lenker Toni Kroos pausiert. Wer spielt, werden Sorg und Löw telefonisch klären, der Bundestrainer hat das letzte Wort. Er wird am Fernseher genau beobachten, wie die nachdrängende Generation mit der gestiegenen Verantwortung umgeht. „Wir alle wollen unserem Trainer zeigen dass er sich total auf uns verlassen kann, auch wenn er nicht da ist“, sagt Kapitän Manuel Neuer, einer der alten Hasen.

Denn es geht um mehr als nur Punkte für die EM 2020. Es geht längst auch um die Stammplätze beim nächsten Turnier.