Essen. Union Berlin ist der 56. Verein der Fußball-Bundesliga. Wir zeigen auf: So schlugen sich die bisherigen Neulinge im Oberhaus.
Um Ausmaß und Bedeutung dieses historischen Ereignisses begreifen zu können, empfiehlt sich die Lektüre einer bereits häufig niedergeschriebenen Anekdote. In der Saison 2008/09 benötigte der damalige Drittligist Union Berlin dringend den Ausbau des eigenen Stadions. Das Geld fehlte, die Fans aber waren da. Sie packten mit an, brachten Baumaterial und Werkzeug mit, machten die Alte Försterei zu einem schmucken Spielort. Mehr als elf Jahre, nachdem auf der „geilsten Baustelle der Welt“ die Arbeiten begannen – und immer noch andauern –, werden Klubs wie Schalke 04, Borussia Dortmund und Rekordmeister Bayern München bei den Köpenickern vorbeischauen. Sie werden sich dann ein genaues Bild davon machen können, wie besonders und wie beeindruckend dieser Traditionsverein ist. Doch werden sich die Eisernen auch von den anderen Bundesliga-Neulingen unterscheiden?
Eine fundierte Antwort darauf wird es erst in rund einem Jahr geben. Dann steht schließlich fest, ob der Traditionsverein eine Eintagsfliege ist oder etwas schafft, das in diesem Jahrtausend erst vier von sieben Klubs gelungen ist: sich in der Bundesliga zu etablieren.
Leipzig und Hoffenheim taugen nicht für einen Vergleich
Fakt ist: Den finanzstarken Emporkömmling RB Leipzig, der in der ersten Saison Vizemeister wurde und drei Jahre nach dem Aufstieg in Liga 1 ins DFB-Pokalfinale einzog, kann sich Union kaum als Maßstab nehmen. Denn hinter dem Aufsteiger aus Köpenick steht kein milliardenschwerer Marketing-Konzern, sondern die in jeder Hinsicht vorbildlich umgesetzte Idee eines Kultvereins. Dessen Fans haben das Stadion eben nicht nur mit eigenen Händen umgebaut, sondern mit Beteiligungs-Käufen auch sichergestellt, dass ihr Wohnzimmer niemals den Namen eines Sponsoren tragen wird. Die Alte Försterei bleibt die Alte Försterei. Bleibt der Bundesliga-Neuling Union Berlin auch Bundesligist?
Auch das zweite Beispiel taugt nicht wirklich als Mutmacher für die Köpenicker. Die TSG 1899 Hoffenheim, seit 2008 erstklassig, profitierte seit 1990 von den finanziellen Zuwendungen des Mäzens Dietmar Hopp. Der Mitbegründer des Software-Giganten SAP wurde zur Hassfigur bei Fans von Traditionsvereinen – weil die ihre Teams lieber gegen andere alteingesessene Vereine spielen sehen wollen. Hopp verteidigt sich und fragt öffentlich rhetorisch: „Oder wollen wir jetzt Fortuna Düsseldorf zurück in die Bundesliga holen?“ Die Antwort: Ja. Am liebsten. Und Union gleich noch dazu. Und auch hier stellt sich die Frage: Kann ein Klub, dessen Fans das Stadion ausbauen, mit einem fußballspielenden Software-Ableger mithalten, dessen Gönner die Schatulle öffnete, um eine moderne Spielstätte in die brachliegende Kulisse zu rammen?
Viel lieber schauen die Berliner, die bislang im Schatten des Stadtnachbarn Hertha BSC standen, auf die Klubs aus Mainz und Augsburg. Die Rheinhessen waren 2004 erstmals in Liga 1 dabei, kehrten aber erst 2009 wieder zurück und hielten sich seither tapfer in Deutschlands Fußball-Elite. Der FC Augsburg wiederum zählt seit 2011 dauerhaft zum Ensemble.
Vergleich mit Abstiegskandidaten ist realistischer
Zur Wahrheit gehört aber auch: Die beiden Klubs gehören in jeder Saison zu den ersten Kandidaten, wenn über die möglichen Absteiger gesprochen wird. Und: Der FC Augsburg, mit einem Etat von geschätzt 90 Millionen Euro in die vergangene Saison gestartet, verfügt demnach über mehr als doppelt so viel, wie die Planzahlen der Köpenicker verheißen (40 Millionen Euro).
Von den sieben Neulingen des aktuellen Jahrtausends spielen vier immer noch, einer hingegen wieder in der Bundesliga. Der SC Paderborn kehrt zur neuen Spielzeit zurück, nachdem er 2014 mit Pauken und Trompeten nahezu abgeschossen wurde und gar den Umweg über die 3. Liga nahm, schaffte als Zweiter den direkten Aufstieg, während Union gegen Stuttgart in der Relegation spielte. Für Greuther Fürth (2013) reichte es nur für ein Jahr Bundesliga, der FC Ingolstadt durfte nach seinem Debüt 2015 immerhin zwei Spielzeiten dabei bleiben.
Paderborn und Fürth sind zwei von acht Teams, die sich jeweils nur für ein Jahr oben halten konnten. Unter den sechs weiteren Eintagsfliegen finden sich der SSV Ulm, der VfB Leipzig, Preußen Münster und Fortuna Köln wieder. Zudem zählen zwei Vereine zu dem Ensemble, das auf zweifelhafte Weise zu Ruhm gekommen ist, deren Herkunft die Unioner nicht als schlechtes Omen sehen wollen: Blau-Weiß 90 Berlin und das historisch schwächste Bundesliga-Team Tasmania Berlin.