Stuttgart. Der entlassene Trainer Markus Babbel ist entsetzt über das Verhalten von VfB-Fans, die schon vor dem Spiel gegen den VfL Bochum die Spieler einschüchterten. Nun muss Babbel Platz machen für Christian Gross, der am Sonntagabend bereits erstmals mit der Mannschaft trainierte.

Viele Menschen saßen gestern Abend um 19 Uhr vor ihrem Adventskranz und zündeten die zweite Kerze an. Die Profis des VfB Stuttgart hingegen waren weit weg von jeder Besinnlichkeit und absolvierten ihr erstes Training mit ihrem neuen Coach. Christian Gross heißt er, kommt aus der Schweiz und wurde neunmal zum besten Trainer der Eidgenossen gewählt.

Um 18.45 Uhr betrat er das Podium in den Katakomben der Mercedes-Benz-Arena mit hellem Nadelstreifenanzug und einer enormen Ausstrahlung. Der 55-Jährige war tagsüber noch in London und brachte eine eindeutige Botschaft mit nach Stuttgart. „Ich verlange von meinen Spielern die totale Hingabe. Wir wollen am Mittwoch gewinnen. Nur mit Siegen macht Fußball Spaß“, sagte Gross und nippte an einem Glas Mineralwasser.

Präsident Erwin Staudt beschrieb den Nachfolger von Markus Babbel als „Mann, der viel Erfolg und Erfahrung mitbringt, mit jungen Talenten arbeiten kann und sich in der Bundesliga beweisen will.“ Gross ist der erfolgreichste Schweizer Clubtrainer, holte sechs Meistertitel, spielte mit dem FC Basel und Grasshopper Zürich jeweils zweimal in der Champions League. Er gilt als akribischer Arbeiter, der es jedoch gewohnt ist, oben zu spielen. Der VfB und die Bundesliga stellen damit eine neue Herausforderung dar.

„Das ist eine reizvolle Aufgabe, weil ich was bewegen kann. Die Grauzone in der Liga hasse ich“, sagte Gross. Ihm eilt der Ruf voraus, mit seinen Spielern eher einen autoritären Stil zu pflegen. „In der Ansprache in ich sehr direkt“, sagte Gross.

Horst Heldt suchte nach Worten

Dreißig Minuten davor hatte sich Markus Babbel verabschiedet. Die Trennung war bewegend. Horst Heldt suchte nach Worten. Stockend erklärte der Sportdirektor des VfB Stuttgart, warum Markus Babbel nicht länger Trainer der Schwaben sein wird. „Wir sind nach dem Spiel gegen den VfL Bochum mit dem Trainerteam zusammengesessen und haben entschieden, die Zusammenarbeit zu beenden“, sagte Heldt. Babbel schaute zunächst in Leere, um dann zu einem 15-minütigen Monolog anzusetzen. Einen kleinen Einblick in sein Innenleben wollte er geben nach einem bewegenden Jahr mit unglaublichen Höhen und Tiefen. Vor allem die Szenen vor dem 1:1 gegen den VfL Bochum hatten ihn nachdenklich gemacht.

Eine Reiterstaffel der Polizei musste den Mannschaftsbus eskortieren, nachdem 200 schwarz vermummte Gestalten eine Blockade errichtet und eine Rauchbombe gezündet hatten. Die entfesselten Horden grölten: „Wenn ihr absteigt, schlagen wir euch tot.“ Den Spielern wurde mulmig zumute. „Selbst die so genannten Fußballmillionäre haben es nicht verdient, dass man ihnen Hass und Morddrohungen entgegenbringt“, sagte Babbel und war entsetzt über diese Gesten drei Wochen nach der Trauerfeier für Robert Enke. „Man sieht, dass man aus der Tragödie nichts gelernt hat und alles eine große Heuchelei ist“, sagte Babbel.

Mit ihrer Wut trafen die Fans vor allem die jungen Spieler in Babbels glücklosem Ensemble, die mit Angst auf den Platz gegangen seien. Das erklärt vielleicht auch, warum das Team in der ersten Hälfte eine erbärmliche Leistung abgab. Da stand eine Mannschaft ohne Gefühl auf dem Platz. Es gab keine Freude, wozu auch wenig Anlass besteht, es gab aber auch keine Wut, kein Aufbäumen. Erst in der 63. Minute köpfte Serdar Tasci zum 1:0 ein. Zu mehr Sicherheit und Kreativität im Spiel der Stuttgarter führte das nicht. In der 89. Minute stürzte dann ein perfekt geschossener Freistoß des Bochumers Christian Fuchs den VfB wieder ins Unglück.

Markus Babbel wirkte am Sonntag erschöpft und blass und doch auch erleichtert. Die vielen Niederlagen, die Ungewissheit, ob er die Mannschaft weiter trainieren darf, die Kritik aus der Öffentlichkeit: All das hat Spuren hinterlassen bei dem Mann, der zuletzt auch die Balance zwischen Spielerversteher und autoritärem Coach nicht mehr gefunden hat.

Für Markus Babbel ist die unruhige Zeit vorbei. Dabei war Präsident Erwin Staudt am vergangenen Montag noch in einem schwarzen Anzug vor die Presse getreten und hatte dem schwäbischen Fußballvolk verkündet, dass Markus Babbel bis zur Winterpause Trainer bleiben werde.