Amsterdam. Wunder gibt es immer wieder. Nach der Aufholjagd von Liverpool schaffte Tottenham in Amsterdam Ähnliches. Beide treffen im Finale aufeinander.
Am Ende flossen Tränen auf beiden Seiten: Bei Ajax Amsterdam wegen des verschenkten Einzugs ins Champions-League-Finale. Bei Tottenham Hotspur wegen der unglaublichen Wende zum 3:2 (0:2)-Sieg. In dem Moment, in dem sich alles drehte, zeigte die Spieluhr 95 Minuten und 1 Sekunde. Die Ajax-Fans sangen ohrenbetäubend, sie feierten schon den ersten Final-Einzug seit 1996. Dann traf Lucas Moura zum dritten Mal und es hörte sich an, als habe jemand den Stecker gezogen.
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Jubel in der kleinen Tottenham-Ecke, sonst beängstigende Stille. Statt Ajax, das das Hinspiel 1:0 gewonnen und zur Halbzeit des Rückspiels 2:0 geführt hatte, spielt nun der Club aus London am 1. Juni in Madrid gegen Jürgen Klopp und den FC Liverpool um Europas Fußball-Krone.
Trauer in der Ajax-Kabine
Sie waren regelrecht durch den Wettbewerb geschwebt, hatten Fußball-Europa verzaubert, doch nach dem denkbar bitteren Aus wussten die jungen Wilden von Ajax Amsterdam nicht, wie ihnen geschah. «Wir finden heute keine Worte dafür», sagte Trainer Erik ten Hag, einst Coach der 2. Mannschaft des FC Bayern München: «Und wir werden auch morgen keine finden.» Der 19 Jahre alte Kapitän Matthis de Ligt berichtete von «Totenstille in der Kabine. Es fühlt sich an, als habe uns jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Das Spiel hat fünf Sekunden zu lange gedauert.» Der zum FC Barcelona wechselnde Mittelfeldspieler Frenkie de Jong erklärte: «Was wir in dieser Saison geleistet haben, war ein Märchen. Leider eines ohne Happy End.»
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Auch im Lager der Engländer fehlten vielen Protagonisten fast die Worte. «Es ist schwer zu beschreiben, was ich fühle», sagte Trainer Mauricio Pochettino. «Aber das ist der außergewöhnlichste Tag in meinem Leben. Ich habe vorher schon gesagt: Meine Spieler sind Helden. Jetzt sind sie Superhelden.» Mittelfeld-Star Dele Alli sprach ebenfalls «vom besten Tag in meinem Leben». Und auch Heung-Min Son ging es ähnlich. «Das war der wahrscheinlich schönste Tag meiner Karriere», sagte der frühere Hamburger und Leverkusener der Deutschen Presse-Agentur: «Das war eine unglaubliche Nacht. Ein unglaublich verrücktes Spiel. Das ist gar nicht in Worte zu fassen.»
Mit "Herz und Moura" ins Finale
Mauricio Pochettino lächelte breit und keiner wusste so recht, wie er das deuten sollte. Vor dem Spiel war der Argentinier gefragt worden, ob er im Falle eines Champions-League-Sieges bei Tottenham aufhören werde. «Vielleicht wäre das ein guter Moment», hatte er geantwortet. Nach dem Final-Einzug darauf angesprochen, sagte er mit seltsamem Unterton: «Wenn wir gewinnen, werde ich gehen. Und wenn wir verlieren, vielleicht auch.» Die meisten englischen Journalisten halten die Aussage für Ironie. Pochettino war in der jüngeren Vergangenheit vor allem mit Manchester United und zwischenzeitlich auch mal mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht worden.
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Für den Trainer war es natürlich vor allem ein Mannschaftserfolg: «Keine Sache der Taktik, sondern einfach nur des Willens und des Glaubens.» Doch einen hob Pochettino dann doch hervor: «Wenn alle Superhelden sind, dann ist Lucas Moura ein Supersuperheld.» Der 26 Jahre alte Brasilianer, der alle drei Tore schoss, war im Herbst und Winter nur Ergänzungsspieler, nun ersetzt er den verletzten Superstar Harry Kane. Mittelfeldspieler Christian Eriksen bezeichnete das Erfolgsrezept mit «Herz und Moura. Ich hoffe, sie bauen ihm eine Statue in England.» Moura selbst erklärte: «Das war ein großes Geschenk von Gott. Und ich möchte es mit meinen Teamkollegen und meiner Familie teilen.»
Kleiner Trost übrigens für die schon im Viertelfinale nicht mehr vertretene Bundesliga. Im Endspiel treffen sich nun die Achtelfinal-Bezwinger des FC Bayern und von Borussia Dortmund. (dpa)