Barcelona. Das Debakel beim FC Liverpool trifft den FC Barcelona um Superstar Lionel Messi hart. Auch die Zukunft von Trainer Valverde dürfte Thema sein.
Nach einem historischen Abend sind die Superlative nie weit weg. Das gilt für die Verlierer nicht weniger als für die Sieger. Nie hätte bei einer Rückreise von einem Fußballspiel des FC Barcelona in der Teammaschine eine solche Friedhofsstimmung geherrscht, berichtet die spanische Presse. Nie wäre Lionel Messi so übellaunig gewesen und nie hätte er in der Kabine nach dem Schlusspfiff so bitterlich geweint. Aber wen sollte das auch wundern? Es handelte sich schließlich um die „größte Blamage der Geschichte“, wie die klubnahe Zeitung „Sport“ schlagzeilte.
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Kaum jemand sah das nach dem 0:4 von Liverpool entscheidend anders. Vom verlorenen Europapokalfinale 1986 gegen Steaua Bukarest bis zum 0:3 vergangene Saison beim AS Rom: alles nicht so schlimm wie diese Nacht an der Anfield Road. Das 3:0 aus dem Hinspiel, die Verletzungen der Liverpooler Stars, die Vorwarnung von Rom und die Anreise mit dem weltbesten Fußballer, Messi – nur einige der angeführten Umstände, die eine Niederlage zur Katastrophe machten. Tatsächlich erklärt sich das Ausmaß der Bestürzung wohl vor allem daraus, dass Messi zu Saisonbeginn die Champions League quasi versprochen hatte. Alles werde man tun, „um diesen schönen und so ersehnten Pokal“ zurückzubringen, in seiner ersten Saison als Kapitän. Und Messis Worte haben in Barcelona längst den Status von göttlichen Botschaften.
Barça verriet immer öfter seine Spielidee
Das ist natürlich genau eines der Probleme. Seit Jahren und verschärft nach dem Abgang von Neymar zu Paris St. Germain drehte sich alles nur noch um Messi. Selbst der Resultatsfußball von Trainer Ernesto Valverde wurde ertragen, so lange nur der einmalige Argentinier die oft zähen Darbietungen mit seinen Genialitäten würzte. Dass Barça immer öfter seine Spielidee verriet, dass aus der Jugend kaum noch Spieler nachkamen, dass die Mannschaft immer älter wurde, dass bei weitem nicht alle Transfers einschlugen und andere im Schatten Messis keine Rolle fanden – all das wurde überstrahlt. Die deftigen Niederlagen 2017 in Paris (0:4) und Turin (0:3) begründete man mit der Abnutzung unter dem damaligen Trainer Luis Enrique, die von Rom mit eigener Überheblichkeit. Doch dieses Mal griff zur schnellen Erklärung allenfalls die seltsame Aufstellung von Valverde, der sich zwischen einer nicht funktionierenden Formation aus dem Hinspiel (4-3-3 mit Philippe Coutinho, die ersten 60 Minuten) und einer funktionierenden (4-4-2 mit Nelson Semedo, die letzten 30) an der Anfield Road zielsicher für die schlechtere entschied und seinen Irrtum erst beim Stand von 0:3 korrigierte. Ansonsten führte kein Weg an der grundsätzlichen Bestandsaufnahme vorbei: es war „The End“, wie „La Vanguardia“ seinen Leitartikel überschrieb. In England ging die Ära einer zuletzt nur noch national großen Mannschaft vorbei.
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Messi, Luis Suárez, Busquets, Gerard Piqué, Jordi Alba – alle sind über 30 Jahre alt. Das Debakel dürfte dazu führen, dass jetzt mehr Neuzugänge kommen als der bereits verpflichtete Frenkie de Jong von Ajax Amsterdam und sein offenbar ebenfalls wechselwilliger Vereinskollege Matthijs de Ligt. Auch die Zukunft Valverdes wird trotz gewonnener Meisterschaft ein Thema sein, „die Champions League ist eine Nummer zu groß für ihn“ findet nicht nur „Sport“. Doch wahrscheinlich muss die von Präsident Josep Maria Bartomeu angekündigte „profunde Reflexion“ noch tiefer gehen. Nach vier Jahren ohne Champions-League-Sieg stellt sich auch die Frage, wie man den Messi-Kult wieder auf eine gesunde Ebene zurückführen kann. Eine, auf der ein echtes Kollektiv gedeiht. Eine, auf der Barça wieder zu seinen Wurzeln findet.