Paris. Paris Saint-Germain muss am Dienstag bei Manchester United ohne Edinson Cavani und Neymar antreten. Trainer Thomas Tuchel verfolgt “Plan D“.

Es war Sommer, Thomas Tuchel genoss seine ersten Spiele als Trainer von Paris St. Germain, und hatte gerade eines gewonnen. Doch bei der Frage nach der Champions League erlaubte er sich eine Vorwarnung. „Wir haben einen sehr dünnen Kader“, entgegnete er dem Reporter auf dem Weg zum Mannschaftsbus in Nîmes. Er sprach von Baustellen und Substanzverlusten durch Abgänge, bei den Außenverteidigern und vor allem im zentralen Mittelfeld: „Eine Nummer Sechs fehlt komplett“. Seine Botschaft: Man dürfe hoffen. Aber nicht erwarten.

Ein halbes Jahr später reist der französische Hauptstadtklub zum Achtelfinal-Hinspiel bei Manchester United. Im Gepäck die bisher unerfüllte Sehnsucht seiner katarischen Eigentümer nach europäischem Grandeur. Aber weiterhin auch die Baustellen auf den Außen und im Mittelfeld. Und dazu plötzlich eine, die Tuchel beim besten Willen nicht prognostizieren konnte. Just zur entscheidenden Saisonphase leuchten auch die Kronjuwelen des Scheichprojekts in unerwartet fahlem Licht. Das „magische“ Sturmdreieck des PSG ist auf ein Drittel reduziert, Kylian Mbappé.

Auch Meunier fehlt Paris-Saint Germain

Nach Superstar Neymar (rund zwei Monate Pause) erwischte es am Samstag beim 1:0-Heimsieg gegen Bordeaux nämlich auch Mittelstürmer Edinson Cavani: er wird nach einem Muskelriss bis zu einem Monat fehlen. Mit bitterer Ironie übte sich Tuchel daraufhin in Improvisations-Mathematik. Weil sich auch noch Außenbahnspieler Thomas Meunier verletzte und Mittelfeldspieler Marco Verratti nach überstandener Knöchelverletzung erst gerade wieder sein Comeback feierte, würden sich die Plan Bs multiplizierten. Es gehe in Old Trafford also längst um „Plan D“.

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Als die Paarung im Dezember ausgelost wurde, galt Manchester bei den Experten als nahezu chancenlos. Kurz darauf wechselte es den Trainer von José Mourinho auf Ole Gunnar Solksjaer, und seither reitet es eine ungeahnte Erfolgswelle mit dem französischen Star Paul Pogba als treibender Kraft. Der PSG hingegen ist nach einem phänomenalen Startrekord (14 Liga-Siege) ins Stottern geraten. Gegen Provinzklub Guingamp flog man aus dem Ligacup, voriges Wochenende gab es in Lyon die erste Pleite in der Meisterschaft, am Mittwoch brauchte man im französischen Pokal bei Drittligist Villefranche-Beaujolais die Verlängerung und der Sieg gegen Bordeaux wurde durch einen schmeichelhaften Elfmeter sichergestellt, den Meunier herausholte und Cavani verwandelte, bevor sich beide dann abmelden mussten.

PSG-Trainer Tuchel wird respektiert

Die Situation ist also ungleich prekärer als Ende November. Damals bestand Tuchels Projekt die bisher härteste Prüfung und gewann in einer schweren Champions-League-Gruppe das Schlüsselspiel gegen Vorjahresfinalist Liverpool. Der Erfolg fußte auf einer taktischen Meisterleistung und steigerte den Kredit des Deutschen weiter. Tuchel wird beim PSG von allen entscheidenden Instanzen respektiert, also insbesondere den katarischen Eigentümern und Franchise-Player Neymar. Die Fachwelt schätzt seine variablen Matchpläne und fundierten Analysen, das Publikum sein Charisma und Französisch. Während der Verein einen Kleinkrieg mit der Sportzeitung „L’´Équipe“ wegen der Berichterstattung über eventuelle Verstöße gegen das Financial Fairplay vom Zaun brach, hält sich Tuchel aus den meisten Polemiken heraus. Allenfalls kabbelt er sich mal mit dem wenig erfolgreichen Sportdirektor Antero Henrique.

Auf Machtwort der Vorgesetzten muss Tuchel den ballgewandten Mittelfeldspieler Adrien Rabiot außen vor lassen; der Zögling aus dem eigenen Nachwuchs weigert sich, seinen Vertrag zu verlängern und wird dafür mit Nichtachtung bestraft. Ein Exempel, das Autorität demonstrieren soll, aber den eigenen Interessen schadet. Für 40 Millionen Euro wurde nun stattdessen der Argentinier Leandro Paredes von Zenit St. Petersburg verpflichtet. Dass seine Integrationsfortschritte heute bereits in die Startelf führen, gilt bei den Beobachtern allerdings als unwahrscheinlich. Eher dürfte mal wieder der gelernte Innenverteidiger Marquinhos im Zentrum auftauchen.

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Neben taktischer Tüftelei muss Tuchel aber auch die Emotionen bearbeiten. Fatalismus verhindern. In den Medien wurden in den letzten Tagen intensiv die Pleiten der letzten Jahre heraufbeschworen, als auch häufig Schlüsselspieler verletzt fehlten, wie vorige Saison etwa Neymar im Rückspiel gegen Real Madrid mit derselben Mittelfuß-Blessur wie jetzt. Dabei ist alles natürlich eine Frage der Perspektive. Im Sturm etwa umfasst Tuchels Plan D heute voraussichtlich ein Trio aus Mbappé, Ángel Di María und Julian Draxler. Auch der Jammer bewegt sich beim PSG noch auf ziemlich hohem Niveau.