Paris. Thomas Tuchel feiert einen seiner größten Triumphe. Auch dank seiner taktischen Marschroute bezwingt PSG den FC Liverpool von Jürgen Klopp.
Paris. Lässige Funkmusik begleitete die Siegesfeier von Paris St. Germain. In gewissen Momenten kann der viel kritisierte Scheichklub durchaus die Eleganz ausstrahlen, die man mit seiner Stadt assoziiert. An diesem Abend waren allerdings auch reichlich Testosteron und Adrenalin vonnöten, nur so hatte man den FC Liverpool 2:1 (2:1) niedergerungen. Thomas Tuchel und sein Trainerteam sprangen sich in die Arme wie nach einem Titelgewinn, die Spieler hoben triumphal die Arme. „Ici c’est Paris“, schrien die Fans: Hier ist Paris. Und dieses Paris erlebte eine Übung in Exorzismus.
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Der PSG hatte geschafft, was ihm in den Jahren katarischer Eigentümerschaft immer am schwersten gefallen war: er hatte ein großes Champions-League-Match gewonnen. Das Ausscheiden abgewendet, den schwarzen Peter an Liverpool weitergegeben, das jetzt zum Abschluss mindestens ein 1:0 gegen Neapel braucht, derweil die Pariser „nur“ nach Belgrad müssen. Etliche Szenen verdeutlichten, was sich alles entlud. Nach Juan Bernats 1:0 drehte sich Tuchel zur Tribüne, um die Zuschauer weiter aufzupeitschen. Bald bautet sich Neymar – Schütze des 2:0 – wie Tarzan vor den Rängen auf und tat es seinem Coach gleich, derweil Tuchel schon wieder weiter war und fuchsteufelswild den Schiedsrichter beschimpfte. Das war vielleicht das Erstaunlichste an diesem Abend: er gewann nicht nur das Trainerschach, indem er je nach Spielsituation zwischen einer Art 3-3-2-2-System sowie einem klassischen 4-4-2 changieren ließ; er und seine Mannschaft waren dem Starkstrom-Liverpool auch emotional überlegen.
„Das war nötig, darauf haben wir gewartet“, sagte Tuchel später. Energie, Intensität, Mentalität – oft fielen diese Worte: „Alle waren bereit zu leiden.“ Paris hat gelernt zu fighten. Wer weiß, wohin es von hier aus weiter geht.
Für die Trainer ging es nach dem Abpfiff erst mal in die Kabine. Direkt nacheinander tigerten sie vom Platz, zwei Männer, deren Lebenswege sich oft überschnitten haben. Klopp lag dabei meistens vor Tuchel, doch nach manch dramatischem Sieg in der Nachspielzeit – 4:3 vor zwei Jahren gegen Dortmund, zuletzt 3:2 im Hinspiel – war er diesmal also hintendran. Er tat sich sichtlich schwer damit.
Klopp: "Zahl der Unterbrechungen war zu hoch"
„Jeder wird jetzt schreiben, dass ich ein schlechter Verlierer bin“, wusste er. Aber es musste dann halt doch aus ihm raus: ein wüstes Tackling von Marco Verratti an seinem Joe Gomez bei 1:0 als rotwürdig einzustufen und gleichzeitig die Reaktionen der PSG-Spieler, insbesondere von Neymar, auf Fouls seiner Leute als Schauspielerei zu klassifizieren. „Die Zahl der Unterbrechungen war zu hoch. In England haben wir den Fairplay-Preis gewonnen, und hier ließ man uns wie Schlachter aussehen.“ ´
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Tuchel mussten die Äußerungen nur zugetragen werden, um sie wohl richtig einzuschätzen: „Ich kenne ihn sehr gut, also nehme ich das nicht persönlich. Wenn ich verliere, rede ich auch manchmal irgendwas, um die Aufmerksamkeit von meinem Team abzulenken.“ Tatsächlich sieht Klopp natürlich am besten, dass Liverpool derzeit ohne das gewohnte Feuer agiert. Alle drei Auswärtspartien in der Gruppe wurden verloren, Mohamed Salah, Feelgood-Spieler und Dauertorschütze der Vorsaison, wirkt nicht mal wie ein Schatten seiner selbst. Dagegen ist die eine oder andere Bodenumdrehung von Neymar wohl wirklich nur eine Pariser Petitesse.