Barcelona. Trainer Julen Lopetegui steht vor dem Aus bei Real Madrid. Real ging im Clasico beim FC Barcelona mit 1:5 unter. Luis Suarez traf dreimal.
Julen Lopetegui ging bei Anpfiff ein paar Schritte nach vorn und stellte sich breitbeinig vor seine Trainerbank. Wie ein Cowboy, der in den Saloon kommt. Es sollte sich als eine verzweifelte Geste von Haltung erweisen. Früher als Torhüter hatte der Trainer von Real Madrid auch mal drei Jahre in Barcelona gespielt. Bei seiner Rückkehr wurde das Camp Nou wohl zum Grab seiner Amtszeit. Die 93 265 Zuschauer im Tempel des FC Barcelona erlebten gestern die Chronik eines angekündigten Todes.
Barcas Luis Suarez: "Wir haben uns als große Mannschaft gezeigt"
Nach einem 1:5 (0:2) seiner Mannschaft wird der 53-jährige Baske kaum zu halten sein – so sehr Lopetegui eine halbe Stunde nach dem Abpfiff auch betonte: „Ich habe noch Kraft, und ich glaube, dass die Mannschaft noch Leben hat“. In Wirklichkeit ist der seit Wochen kriselnde Champions-League-Sieger am Tiefpunkt angekommen. Das fünfte sieglose Ligaspiel in Folge ohne Sieg, davon vier verloren, und dann noch die schadenfroh in die Höhe gehaltenen fünf Finger der ekstatischen Fans des Erzrivalen, einer für jedes der fünf Tore – das überlebt kein Trainer von Real Madrid. „Diese Saison ist ein Desaster“, sagte Mittelfeldspieler Casemiro nach dem Abpfiff. „Es ist nicht die Einstellung, nicht die Taktik – es ist alles.“ Sein Eingeständnis, „die Schuld haben die Spieler“, dürfte an der Analyse der Vorstandsetage nichts ändern.
„Wir haben uns als große Mannschaft gezeigt“, erklärte auf der anderen Seite Barças Luis Suárez. Knapp 4000 Tage nach dem letzten Clásico ohne Cristiano Ronaldo und Lionel Messi trafen sich die ewigen Rivalen erstmals wieder ohne die dominanten Fußballer der letzten Dekade, und der Uruguayer avancierte mit drei Toren zum Helden des Abends. Philippe Coutinho und der eingewechselte Arturo Vidal erzielten die weiteren Treffer, während Marcelo für Madrid zwischenzeitlich auf 1:2 verkürzte. Barça verteidigte damit die Tabellenführung und liegt jetzt schon sieben Punkte vor Real. Bis auf eine Schwächephase nach dem Seitenwechsel dominierte es das Spiel spätestens seit dem Moment der Führung, der ein perfekter Vorstoß von Linksverteidiger Jordi Alba vorausging. Coutinho musste seine Hereingabe nur verwandeln (11.).
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133 Tage nach seiner Vorstellung in Madrid konnte Lopetegui an einem verregneten Herbsttag in Katalonien nichts retten. Nicht die Treue seiner Spieler, nicht der Mythos von Real Madrid, nicht mal die besonderen Gesetze des Clásico, in dem Real in den Jahren zuvor auswärts besser abgeschnitten hatte als zuhause – und schon gar nicht der Videoassistent. In der 28. Minute debütierte das in Spanien diese Saison erstmals angewandte Hilfsmittel in einem Clásico und führte nach einem Tritt von Raphael Varane gegen Suárez zum fälligen Elfmeter. Der Mittelstürmer selbst verwandelte den fälligen Elfmeter hart und flach.
Auch Real-Kapitän Sergio Ramos patzte
Lopetegui schob nur mit dem Innenrist eine Wasserflasche zur Seite, er blieb ruhig, als hätte er alles sowieso geahnt. Immerhin verhalf er mit einem mutigen Wechsel seiner Mannschaft noch mal zu einem kurzen Comeback. Zur zweiten Halbzeit brachte er als Rechtsverteidiger den Außenstürmer Lucas Vázquez. Dieser leitete dann gleich den Spielzug zum Anschlusstor ein, den Marcelo nach einer Hereingabe von Isco vollendete (50.). Real setzte alles auf eine Karte und hätte Barça beinahe vollständig überrumpelt. Doch Luka Modric traf nach einem schlimmen Abspielfehler von Sergio Busquets nur den Pfosten (55.) – einer von vielen Treffern ans Gebälk in Lopeteguis Etappe, während der Madrid nicht immer so schlecht spielte, wie es die Ergebnisse waren.
Gestern allerdings schon, jedenfalls in der Abwehr. Bald traf Suárez mit einer artistischen Volleyabnahme einer Kopfballablage von Sergi Roberto den Pfosten, und eine gute Viertelstunde vor Schluss entschloss sich Barça-Coach Ernesto Valverde zur Einwechslung von Ousmane Dembélé. Das Tempo des ehemaligen Dortmunders setzte Madrids zunehmendem Harakiri den Todesstoß. Mit seinen ersten Ballkontakten überbrückte der Franzose das verwaiste Mittelfeld und legte nach rechts ab zu Sergi Roberto. Dessen Flanke köpfte Suárez aus dem Stand unhaltbar ein (75.).
Wie es noch süßer für das Camp Nou werden konnte? Durch einen kapitalen Fehler des nach dem Abgang von Ronaldo zum Lieblingsfeind mutierten Sergio Ramos. Der Real-Kapitän verpatzte eine Ballannahme, der famose Sergi Roberto spritzte dazwischen und spielte den Ball in den Lauf von Suárez, der seine Gala durch einen Lupfer zum 4:1 krönte (83.). Und noch süßer gar? Nach einer langen, von euphorischen Olés gefeierten Ballstafette köpfte Vidal eine Flanke von Dembéle zum Endstand ein (87.).
Lopetegui verfolgte es am Seitenrand, die Beine eng zusammen, die Hände in den Hosentaschen. Er wusste wohl: es ist vorbei