Barcelona. Brasilianische Fußballhelden unterstützen den Diktaturfan Bolsonaro, der am Sonntag als großer Favorit in die Stichwahl geht. Barca reagiert.
Beim FC Barcelona waren sie stolz, als sie voriges Jahr ihren Ex-Spieler Ronaldinho als neuen Markenbotschafter präsentierten. Wo der zweifache Weltfußballer nach grandiosen Jahren wegen seines vergnügungsorientierten Lebenswandels schnell verglühte, hatte dies seiner Beliebtheit ja keinen Abbruch getan, im Gegenteil: wie kaum ein anderer stand Ronaldinho für Fröhlichkeit und Freigeist. Für alles, was die Welt an Brasilien immer so mochte.
Jetzt steht der 38-Jährige allerdings für etwas, das die Welt gehörig erschreckt. Ronaldinho gehört wie sein beim WM-Erfolg 2002 kongenialer Angriffspartner Rivaldo zu den öffentlichen Unterstützern des ultrarechten Populisten Jair Bolsonaro, der am Sonntag nach 46 Prozent im ersten Wahlgang hoch favorisiert in die Stichwahl um das brasilianische Präsidentenamt geht. Er verspricht harte Hand gegen die ewigen Plagen Korruption und Kriminalität, doch seine Positionen verherrlichen auch die Militärdiktatur (1964-1985) und sind teils so brutal, dass der renommierte Ex-Präsident Fernando Henrique Cardoso sagt: „Es riecht nach Faschismus“.
Barça hat deswegen reagiert und will die Klubauftritte von Ronaldinho und Rivaldo, ebenfalls Weltfußballer in seiner Zeit als Barça-Spieler und bis heute im „Legenden“-Team der Katalanen, auf ein Minimum beschränken – so heißt es hinter den Kulissen. „Wir verteidigen demokratische Werte, die mit seinem (Bolsonaros) Diskurs nicht in Einklang stehen“, formulierte Vereinssprecher Josep Vives offiziell. Ronaldinho entgehen dadurch Gagen im hohen sechsstelligen Bereich.
„Für ein besseres Brasilien, ich wünsche mir Frieden, Sicherheit und jemanden, der uns die Freude zurückbringt“: Das hatte er am Tag vor dem ersten Wahlgang seinen knapp 90 Millionen Fans in den sozialen Netzwerken geschrieben und dazu im Nationaltrikot mit der Rückennummer 17 posiert – der Zahl von Bolsonaros Kampagne. Rivaldo wiederum jubelte: „Brasilien erwacht“, und fühlte sich durch die Feiern von Bolsonaros Anhängern nach dem ersten Wahlgang an „die Freude unseres Volkes über den WM-Sieg 2002 erinnert“. Seinen Aufruf für Bolsonaro garnierte er mit einem Foto von sich nach dem Abpfiff jenes Finals. Auch Cafú, damals Spielführer, stimmt in den Chor ein: „Der Kapitän der fünften Weltmeisterelf wird für Bolsonaro stimmen“.
Die Superstarfans haben eine Gemeinsamkeit. Sie kommen aus dem evangelikalen Milieu, einer Bastion der neuen Rechten. Ronaldinho etwa ist Mitglied der Partei PRB, die als politische Plattform der „Igreja Universal do Reino de Deus“ gilt. Ausgesprochener Unterstützer Bolsonaros ist außerdem der frühere Formel-1-Weltmeister Emerson Fittipaldi, als Sympathisant gelten Kaká, Weltfußballer des Jahres 2007 – und auch Neymar, der Star von heute. Wie Auswahlkollege Gabriel Jesus versah er die Wahlwerbung des Profikollegen Alan Patrick (Schachtjar Donezk) für Bolsonaro mit einem „Like“. In Lucas Moura (Tottenham) sieht ein weiterer Nationalspieler einen „idealen Mann“ in dem Chauvinisten, der einer linken Abgeordneten mal beschied, er würde sie „nicht vergewaltigen,“ denn sie sei dafür „zu hässlich“.
Dass das mythische gelbe Trikot der brasilianischen Nationalelf seine politische Unschuld verloren hat und fest zum Dresscode der Bolsonaro-Anhänger gehört, ist da fast nur folgerichtig. Nur ein Ex-Nationalspieler, Juninho Pernambucano, wandte sich öffentlich gegen seine Kollegen: „Mir dreht sich der Magen um“. Vor der schicksalhaften Abstimmung am Sonntag ist er eine einsame Stimme auf dem weiten Rasen.