Barcelona. Auch ohne Lionel Messi und Cristiano Ronaldo ist das Duell Barcelona gegen Real brisant. Vor allem für Madrids Trainer Lopetegui.
Das Camp Nou hat einen neuen Liebling, er hört auf den Namen Arthur. Arthur Melo, brasilianischer Mittelfeldspieler, der im Sommer von Grêmio Porto Alegre zum FC Barcelona kam, immer mehr die Fäden zieht und dabei nicht nur einschlägige Fachleute wie seinen Kapitän Lionel Messi an Klublegende Xavi Hernández erinnert („Er hat den gleichen Spielstil“). Arturo Vidal hingegen, im Sommer vom FC Bayern gekommener Mittelfeldspieler, kann bislang nicht so gut landen, er hat sich durch öffentliches Schmollen wegen seiner Reservistenrolle sogar unbeliebt gemacht. Als am Mittwoch gegen Inter Mailand also Arthur gegen Arturo ausgewechselt wurde, reagierten die Leute mit Pfiffen. Barça-Trainer Ernesto Valverde sprach später von „Beschwerden“ Arthurs, um sich bloß irgendwie zu rechtfertigen.
Für den Besuch von Real Madrid am Sonntag (16.15 Uhr) ist der Spielmacher nun wieder einsatzbereit. Es wird ein besonderer „Clásico“, der erste seit 2007, in dem weder Cristiano Ronaldo noch Messi auftreten – der eine ist in Turin, der andere unpässlich wegen Unterarmbruchs. Bemerkenswert ist außerdem, dass der Tabellenführer – derzeit Barça, 18 Punkte – bei Anpfiff zwar definitiv aus Barcelona oder Madrid kommen wird, aber je nach den Ergebnissen zuvor auch Espanyol (17) oder Atlético (16) heißen könnte, keinesfalls jedoch Real (15). Dort wird das Prestigeduell stattdessen zum Tribunal für den Trainer. Vor rund 99 000 im Camp Nou entscheidet sich die seit Wochen diskutierte Zukunft von Julen Lopetegui.
Im Klub wird rund um die Pleitenserie in der Liga – ein Punkt der letzten zwölf – und den 2:1-Zittersieg in der Champions League gegen das zweitklassige Viktoria Pilsen längst die Nachfolge diskutiert. Als kurzfristige Lösung gilt Santiago Solari, Coach der zweiten Mannschaft, doch die Namen der perspektivischen Kandidaten haben es in sich. Präsident Florentino Pérez favorisiert einen harten Hund wie Antonio Conte – oder José Mourinho. Der bloße Gedanke an dessen Rückkehr lässt alle Alarmglocken im Kader schrillen, insbesondere bei den Veteranen, die ihn zwischen 2010 und 2013 erlebten. Auch daher rührt eine Solidaritätswelle mit Lopetegui, die von den Kapitänen Sergio Ramos und Marcelo (Vize) angeschoben wurde und zuletzt auch Toni Kroos erreichte: „Wir wollen, dass er weitermacht, er ist ein guter Trainer“, so der Deutsche.
Vidal im Blickpunkt
In Barcelona rechnen sie mit einem verwundeten und daher besonders gefährlichen Madrid – das man nur zu gern noch tiefer in die Krise stürzen will. Helfen dabei würde zu gern Vidal, der seit seinem Platzverweis im skandalumwitterten Champions-League-Viertelfinale 2017 noch eine offene Rechnung mit den Madrilenen hat. Der Chilene wird seine bisher erst 188 Barça-Minuten zwar kaum von Beginn aufstocken können, doch immerhin nutzte er seine Viertelstunde gegen Inter zu einem dynamischen Auftritt, der Einleitung des Spielzugs zum 2:0-Endstand und damit einer Neubewertung seiner Aktien. Rief ihn Sportdirektor Pep Segura zu Monatsbeginn noch öffentlich zur Räson („Seine Klagen sind respektlos gegenüber den Mitspielern“), lobte nun Valverde: „Sein Enthusiasmus ist ansteckend, er geht voran.“
Deutlich schmallippiger gab sich der Coach bei Nachfragen zu Ousmane Dembélé. Der Trainer soll mittlerweile auch persönlich enttäuscht von dem ehemaligen Dortmunder sein, der nach einem verheißungsvollen Saisonauftakt längst wieder als eigener Planet durch das Barça-Universum schwirrt und andauernder Disziplinlosigkeiten bezichtigt wird. Am vorigen Samstag gegen Sevilla brachte er die Teamkollegen zur Weißglut, als er sich nach Messis Blessur aufreizend viel Zeit bei seiner Einwechslung ließ und danach eine gruselige Partie ablieferte. Abwehrchef Gerard Piqué kam während einer Spielunterbrechung eigens an die Seitenlinie, um sich bei Valverde die Lizenz zur lautstarken Korrektur Dembélés abzuholen. Selbst das Publikum verlor die Geduld. Wo er zuvor immer auf einen Sympathiebonus zählen konnte, musste er sich nach dem x-ten Ballverlust in der Nachspielzeit erstmals ein Pfeifkonzert anhören.
Dembélés Reaktion? Laut eines Berichts des Fernsehsenders „Cuatro“ kam er vor dem Spiel gegen Inter um 19.25 Uhr statt wie angeordnet um 19 Uhr zum Treffpunkt. Der Verein dementierte diese Meldung, nicht aber andere über häufige Verspätungen beim Training und generelle Einstellungsprobleme. „Er muss noch viel lernen“, seufzt Valverde. Gegen Inter ließ er ihn 90 Minuten auf der Bank, und der Clásico eignet sich erst recht nicht für ein Pädagogikprogramm. Dafür geht es wie immer um viel zu viel.