München/Dortmund. Ein 20-jähriger Angreifer und ein 20-jähriger Abwehrspieler behaupten sich im elitären Münchener Aufgebot: Thomas Müller und Holger Badstuber.
Noch lacht er. In vermutlich schon wenigen Jahren wird er bei gleicher Gelegenheit genervt sein, wird er den Pressechef seines Vereins grimmig anschauen und wenig Lust darauf verspüren, sich vor den vielen Medienleuten zu wiederholen. An diesem Tag aber kann Thomas Müller noch gar nicht genug davon bekommen, herumgereicht zu werden. Von Mikro zu Mikro, von Kamera zu Kamera – der junge Mann erledigt das Nachspiel mit derselben Freude, die er zuvor beim Hauptereignis verspürte und versprühte.
Der FC Bayern hat gerade die Dortmunder Borussen in deren Stadion mit 5:1 abgebürstet, der zur Halbzeit eingewechselte Müller steuerte einen Tag vor seinem 20. Geburtstag mit Präzision und Kraft die Tore vier und fünf bei und wertete damit den Sieg zum Triumph auf. Einer der ersten Gratulanten zu diesem bemerkenswerten Coup war Holger Badstuber. Auch er ist erst 20, auch er hat erstaunlicherweise einen Platz im Elite-Ensemble der Bayern gefunden und behauptet – zwischen Robben, Ribery, Gomez und all den anderen, die so viel Ablöse kosteten, dass die Scheine nicht auf die Ladefläche eines Lastwagens gepasst hätten.
Keine Zeit zum Feiern
An diesem Dienstag ist Champions-League-Auftakt, die Bayern beginnen in Israel, bei Maccabi Haifa (20.45 Uhr/Sky live). Holger Badstuber, der Innenverteidiger, und Thomas Müller, der vielseitige, sogar als Spielmacher verwendbare Angreifer, auf dem Schauplatz der Größten Europas. Sie müssen sich vorkommen wie die Kelly Family: in der Fußgängerzone entdeckt und plötzlich auf den Bühnen riesiger Arenen. Die beiden Bayern-Lehrlinge haben doch noch vor wenigen Monaten in der zweiten Mannschaft der Münchener gespielt, in der Dritten Liga, die Gegner hießen Emden, Aue, Sandhausen.
Solche Karriere-Sprünge können jungen Menschen den Kopf verdrehen. Badstuber aber trägt nur die Kappe rückwärts, und Müller hat nach seinen zwei Toren in Dortmund nicht einmal nachts auf seinen Geburtstag angestoßen. „Ich war müde”, erzählt er. „Bei diesem Spielplan bleibt zum Feiern eh wenig Zeit.”
So spricht ein pflichtbewusster Jungprofi, Thomas Müller bevorzugt die Orient-Taktik: immer schön auf dem Teppich bleiben. „Von solch einem steilen Aufstieg war ja nicht auszugehen”, sagt er und weist voreilige Vergleiche mit dem größten Torjäger der Fußballgeschichte weit von sich: „Gerd Müller ist unerreichbar. Ich schaue zu ihm auf.”
Keine Hemmungen auf dem Platz
Zu brav ist allerdings auch nicht gut. Holger Badstuber, von Trainer Louis van Gaal wegen des starken linken Fußes befördert, verkauft sich bewusst forscher als Thomas Müller. Badstuber sieht zwar aus, als benötige er noch keinen Rasierapparat, kennt aber auf dem Platz keine Beißhemmung. Kürzlich, beim 3:0 gegen Meister Wolfsburg, animierte der Verteidiger die 60 000 Zuschauer zum Szenenapplaus. Grafite, der Torschützenkönig, der Fußballer des Jahres, war mit Vollgas in den Strafraum gerauscht, hatte einen Haken geschlagen – und sich dann verwundert umgeschaut. Der Ball war weg. Badstuber hatte im richtigen Moment das lange Bein ausgefahren und ihn ins Aus befördert. Der Bayern-Block hinter dem Tor brüllte im Stakkato: „Bad-stu-ber! Bad-stu-ber!”
Wie bleibt er da cool? Wie behält er überhaupt die Nerven, wenn Duelle mit Giganten wie Grafite und Dzeko anstehen, die schon ganz anderen Abwehrstrategen die Rücklichter gezeigt haben? „Ich wusste, was auf mich zukommt”, sagt Holger Badstuber erstaunlich selbstbewusst. „Man darf solchen Leuten keinen Raum lassen.” Also gar kein Lampenfieber? „Nee. Ich weiß ja, was ich kann.”
Louis van Gaal, der Eiserne, hat seinen Spaß. Er setzt die Etablierten unter Druck, indem er den Nachwuchs mit Freischwimmerabzeichen ausstattet. „Dass junge Spieler so gut sein können, ist man beim FC Bayern nicht gewöhnt”, sagt er. Und all die Kloses und Tonis dürfen diese Einschätzung durchaus als Drohung auffassen.