Leverkusen. Bundestrainer Joachim Löw schneidert beim 2:0-Sieg der Nationalmannschaft gegen Südafrika das System auf Mesut Özil zu. Ob das auch in Zukunft so bleibt, will er aber noch nicht sagen.

Die Sängerin mit dem klangvollen Namen Emiliana Torrini ist Isländerin mit italienischem Papa, hat für einige Zeit in Deutschland gelebt und aktuell ihren Wohnsitz im britischen Bath. Schon diese Biografie stellt man sich ja aufregend vor. Mit ihrem Hit aber hat Torrini einen ganzen Sommer angefeuert. My heart is beating like a jungle drum. Mein Herz, das schlägt wie eine Dschungel-Trommel. Rangedangedangdang. Rangedangedang. In der Halbzeitpause der Begegnung der Nationalelf mit Südafrika ist er in Leverkusen eingespielt worden, und das war eindeutig ein Fehler der Stadionregie. Rangedangedang. So pocht ein Herz, das auf Touren gebracht wurde.

Gewünscht hatte sich Joachim Löw diesen heftigeren Rhythmus auch. Nach traurigen Auftritten in den vergangenen Monaten ist es seiner Elf aber nur gelungen, passabel mit 2:0 zu gewinnen und die Partie von der ersten bis zur letzten Minute weitestgehend unter Kontrolle zu halten. Das war ein wenig langweilig, so, wie es ein wenig langweilig ist, einem Motor bei der Arbeit zuzusehen, statt hinter dem Steuer zu sitzen und von seiner Kraft mitgerissen zu werden. Weil vor dem Einstieg in die entscheidenden Wochen der Qualifikation für die WM allzu tief bohrende Kritik die Stimmung trüben könnte, hat der Bundestrainer dennoch das Rasante hervorgehoben. Er fand, sein Team habe ein „gutes Spiel gemacht” und „gute Kombinationen“ auf den Rasen gedreht. Alles in allem, meinte er, sei damit „ein Signal gesetzt” worden.

Das erwartete, natürlich. Hat Löw allerdings so nicht gesagt. Hätte er es gesagt, wäre auch das ein wenig langweilig gewesen. Dem Bundestrainer jedoch konnte weder in dieser verführerischen Standardsituation noch ansonsten vorgeworfen werden, sich nicht um Spannungsaufbau bemüht zu haben. Im Gegenteil. Löw hatte die Revolution ausgerufen, in aller Stille, wie es deutsche Art ist. Er hatte das System zum Umsturz gebracht, das er selbst gezimmert und beseelt gegen alle Zweifler verteidigt hatte. Er hatte die 4-4-2-Formation begraben und Neues gewagt. Nur, was eigentlich?

Klose wirkte wie befreit von aller Bayern-Last

Der Bundestrainer sprach von einem 4-3-3, das er der Mannschaft verordnet habe. Der Sportinformationsdienst hatte eine 4-3-2-1-Ordnung beobachtet, und ein 4-2-3-1 war als Interpretation ebenfalls möglich, weil vor der defensiven Viererreihe Michael Ballack gemeinsam mit Simon Rolfes wirkte und davor eine kreative Kette mit Marko Marin links, Bastian Schweinsteiger rechts und Regisseur Mesut Özil mittig geschmiedet war. Einsam, doch bedeutsam unterstützt durch die – bis auf den fahrigen Schweini – wirbeligen Kollegen, begab sich in der ersten Halbzeit Mario Gomez auf die Torejagd. Erfolgreich in der 35. Minute. Und in der zweiten Halbzeit wechselte Löw den zentralen Stürmer, brachte Miroslav Klose, und der legte nicht nur Özil in der 77. Minute das 2:0 auf, sondern er wirkte auch wie befreit von aller Bayern-Last.

Spektakuläre Paraden: René Adler. (Foto: Getty)
Spektakuläre Paraden: René Adler. (Foto: Getty) © Bongarts/Getty Images

Das revolutionäre Zahlenwerk ist aber nicht einmal die Botschaft vor dem Aufritt am Mittwoch in Hannover gegen Aserbaidschan. Dass der Bundestrainer sich durch einen Spieler, durch den U 21-Europameister Mesut Özil, dazu veranlasst sah, seine Formation zu ändern, ist das wahre Zeichen, das Signal, das unerwartete. Deutschland ist (vielleicht) eine „10” geboren worden, ein Spieler mit hoher technischer Fertigkeit, der in der Lage ist, die Fäden zu ziehen und eine Partie nach seinem Strickmuster zu gestalten. Gegen die Südafrikaner war das gar nicht einfach. Sie verteidigten konsequent, hatten mit dem Ex-Dortmunder Steven Pienaar selbst einen begabten Fädchenzieher auf dem Feld und schafften es immerhin, die deutsche Innenverteidigung als weiterhin verletzlich zu entlarven und Torhüter Rene Adler einige spektakuläre Paraden abzuverlangen.

Funktioniert hat der Umsturz dennoch. Bleibt die Frage, ob es gegen die Aserbaidschaner und vor allem im Oktober, wenn es in Moskau gegen die Russen geht, nicht schon zur Restauration kommen wird. Gomez scheint im Sturm gesetzt, Klose hat den Sturm, als er hinein durfte, angefacht. Löw könnte also auf zwei Angreifer setzen und Özil auf die linke Seite schieben. Erklärt hat er: „4-3-3, 4-4-2, das muss man mal sehen. Die Aufgabe bleibt die gleiche. Wir wollen Dominanz.” Michael Ballack dagegen hatte bereits vor dem Anpfiff klar gemacht, dass sein Herz für den 20-Jährigen rangedangedangt, und auch im Anschluss an die Partie platzierte er seine Wertschätzung, geschickt eingewoben ins Lob für den Mut zur Revolution: „Ein bisschen Abwechslung hat uns gut getan.”