Essen. Mesut Özil berechtigt zu großen Hoffnungen - aber die Begeisterung ist auch ein Hinweis auf die Unzufriedenheit mit der spielerischen Stagnation der deutschen Fußball-Nationalmannschaft.

Muss man sich wirklich wundern? In Zeiten, in denen Profis nach drei guten Bundesliga-Spielen zu Kandidaten für die Nationalmannschaft hochgejubelt werden, dürfte ein gutes Länderspiel allemal ausreichen, um für überschäumende Begeisterung zu sorgen. Mesut Özil also ist: der jahrzehntelang vermisste Spielmacher, das Talent, das Deutschland nach Südafrika zaubert.

Es sind Teile der Medien, die unmittelbar nach dem 2:0 über Südafrika gewaltige Erwartungen schüren, ganz so, als sei Özil nicht erst 20 Jahre jung, als drohte gerade bei jungen Spielern nicht der eine oder andere Rückschlag. Der Bundestrainer hält sich da so wohltuend zurück wie Özils Verein Werder Bremen, der offenbar den richtigen Umgang mit ihm und seinem Umfeld gefunden hat – anders als zuvor Schalke 04. Aber das ist eine andere Geschichte.

Joachim Löw hat mit Mesut Özil eine Art Zauberlehrling. Er hat aber auch Geister gerufen, die er so schnell nicht los wird. Es wird in nächster Zeit wohl kaum ein Länderspiel geben, vor dem nicht der Ruf nach Özil und einem auf ihn gemünzten System laut wird. Ganz so, als könne der Bremer Löws Elf im Alleingang zur WM führen. Der Hinweis des Bundestrainers auf Özils defensive Schwächen war ja nicht die Suche nach dem Haar in der Suppe nach einem guten Auftritt, sondern der Versuch, den Ball flach zu halten.

Mesut Özil, keine Frage, berechtigt zu großen Hoffnungen. Dass aber jetzt in Teilen der Öffentlichkeit so getan wird, als sei der Nationalelf eine Art Maradona erschienen, ist auch ein Hinweis auf die Unzufriedenheit mit der spielerischen Stagnation seit der EM. Löw hat darauf reagiert, wenn auch sehr spät.

Tatsächlich wandelt er mit seiner Elf auf schmalem Grat. Über die direkte WM-Qualifikation entscheidet das Spiel in Russland in vier Wochen. Wer würde, Özil hin, 4-3-3 oder 4-4-2 her, da eine Prognose wagen? Einen Monat vor dieser Partie sollte die Nationalelf ihr System gefunden haben, sollten die Abwehrschwächen behoben sein. Nichts davon ist der Fall.

Mesut Özils Perspektive mag vieles überdecken. Aber sie löst nicht jedes Problem.