Leverkusen. Mesut Özil gilt schon nach seinem ersten Spiel über 90 Minuten in der Nationalmannschaft als Hoffnungsträger am Regiepult. Er wird auch am Mittwoch in Hannover gegen Aserbaidschan von Beginn an spielen.
Es sind Spieler wie er, über die die Fans auf dem Heimweg reden. Über deren Tricks sie nach dem Spiel diskutieren, an deren Aktionen sie sich berauschen. Bernd Schneider hat 81 Länderspiele bestritten, sein größtes war das verlorene WM-Finale 2002 gegen Brasilien, als er besser war als alle Spieler des späteren Weltmeisters. Am Samstag wurde er vor heimischem Publikum in Leverkusen von der Nationalmannschaft verabschiedet – Bernd Schneider kann wegen einer Rückenverletzung nicht mehr Fußballspielen. Ein trauriger Moment für den deutschen Fußball. Unter denjenigen, die für ihn an diesem Abend Spalier standen, war Mesut Özil.
Am Tag, als Schneider ging, kam Özil. Der 20-Jährige be-stritt gegen Südafrika sein erstes Länderspiel von Beginn an und zeigte sogleich, welch herausragendes Talent da zur Nationalmannschaft gestoßen ist. Das erste Tor durch Mario Gomez leitete er ein, das zweite erzielte er nach prächtiger Vorarbeit von Lukas Podolski und Miroslav Klose selbst. Doch es waren nicht nur diese beiden Aktionen von Özil, die das Herz der Fußball-Genießer aufgehen ließen. Als zentraler Mann im Offensiv-Bereich deutete Özil an, dass er die Sehnsucht nach einem Kreativspieler in der Nationalelf vielleicht stillen kann.
Der Straßenfußballer
Özil ist ein Straßenfußballer - wie Schneider, den man „Schnix” genannt hat, weil er andere Spieler austricksen und den Ball anschnibbeln konnte; schnixen haben sie dazu in Jena gesagt, wo Schneider herkommt. Auch bei Özil fallen die Fertigkeiten am Ball ins Auge, wenn er die Pässe aus dem Fußgelenk spielt und die verdeckt positionierten Mitspieler so in Szene setzt. „Das sieht einfach aus, ist aber sehr schwierig”, sagt Joachim Löw. „Er kann einem Spiel eine gewisse Kreativität geben.” Mit Tricks wie „Schnix” - kurz und bündig.
So sitzt Özil denn auch an diesem Abend auf dem Presse-Podium in der BayArena. In knapp sechs Minuten hat er wohl ein Dutzend Fragen beantwortet – er ist keiner, der lange Vorträge hält. Bei den Mitspielern ist er mit dieser Art früh anerkannt, weil er sich selbst nicht zu wichtig nimmt. So berichtete er von seiner Unterredung mit Michael Ballack vor dem Spiel. „Er hat gesagt: Mach dein Spiel, Junge. Und das habe ich gemacht.” Auch während des Spiels habe ihn der Kapitän „gut gecoacht”. Ihm gesagt, wann er Druck nach vorne machen soll, und wann es besser ist, sich zurückfallen zu lassen. Özil hat die Ratschläge angenommen. Er nimmt niemandem etwas weg, gibt aber umso mehr zurück. „Ich wollte der Mannschaft helfen.” Für die Chefrolle ist er noch zu jung. Aber die Ideen, die hat er jetzt schon.
Mit Özil ist die Nationalmannschaft um eine Variante reicher, denn er kann die Lücke zwischen dem offensivem Mittelfeld und dem Angriff schließen, indem er selbst in diese Freiräume läuft und sie ausfüllt. Einen so agierenden Spieler habe Deutschland lange nicht mehr gehabt, lobt Mittelstürmer Mario Gomez: „Er ist unglaublich kreativ, und das kommt den Stürmern entgegen. Wir können froh sein, so einen Spieler zu haben.”
Nachfolger von Diego
Mesut Özil - noch mal zur Erinnerung: In Schalke wurde er Anfang 2008 fortgeschickt vom damaligen Manager An-dreas Müller, der glaubte, auf dieser Position einen besseren Spieler zu haben – er dachte an Ivan Rakitic. Das aus dem eigenen Nachwuchs gekommene Talent Özil fühlte sich zurückgesetzt und wehrte sich dagegen, seinen Vertrag schon eineinhalb Jahre vor der Zeit zu verlängern. Welch ein Irrsinn, der von Schalke damals angezettelt wurde – Özil war gerade einmal 19 Jahre alt. In Bremen konnte er sich an der Seite von Diego in aller Ruhe entwickeln und ist jetzt dessen Nachfolger als Spielgestalter.
Man nennt ihn „Messi”, was nur sekundär mit dem Star des FC Barcelona zu tun hat, sondern vor allem von seinem Vornamen Mesut kommt, den man „Messut” ausspricht. Özil ist in Gelsenkirchen als Sohn türkischer Eltern geboren, entschied sich aber frühzeitig, für Deutschland zu spielen.
Jetzt steht ihm die Karriere in der Nationalelf offen. Ein Straßenfußballer ist gegangen. Der nächste gekommen.