Essen. Bundestorwarttrainer Andreas Köpke spricht im Interview über den Vierkampf um die Nummer 1, Flachbildschirme und die Lobbyarbeit der Vereine.

Torhüter, die als Nummer eins mit der Nationalelf zur WM nach Südafrika wollen, haben ihre Lobbyisten. Aus den Vereinen wird scharf für sie geschossen. Die Bälle parieren muss Andreas Köpke, der Europameister von 1996. Mit dem Bundestorwarttrainer hat Frank Lamers über Robert Enke, Tim Wiese, Rene Adler, Manuel Neuer und auch Jens Lehmann gesprochen, der nur einen Lobbyisten hat, sich selbst.

Herr Köpke, erhalten Sie eigentlich nützliche Geschenke aus der Bundesliga? Uhren, Flachbildschirme?

Andreas Köpke: Gute Frage, ist mir schon klar, warum Sie die stellen. Aber ich bin momentan ganz gut ausgestattet. Ich habe das alles schon.

Es war aber selten zuvor so viel Lobbyarbeit zu beobachten wie im Moment, immerhin noch fast zehn Monate vor der WM...

Köpke: Die Vereine versuchen natürlich, ihren Spieler ins Gespräch zu bringen, das ist ja klar. Aber wir lassen uns davon nicht beirren, und ich denke, wir sind bei der Nationalelf kompetent genug, auch richtig zu entscheiden.

Es gab eine Zeit, in der der Lobbyist innerhalb der Nationalelf tätig war. Torwarttrainer Sepp Maier trat offen für Oliver Kahn ein...

Köpke: Fakt ist: Wir haben uns auf vier Torhüter festgelegt. Robert Enke. Tim Wiese. Rene Adler. Manuel Neuer. Natürlich registrieren wir auch, wenn andere gut halten. Aber wir denken nicht von Woche zu Woche um.

Wie kommt denn die Offensive bei Ihnen an? Bremens Klaus Allofs wollte nicht verstehen, dass Robert Enke beim WM-Qualifikationsspiel gegen Aserbaidschan im Tor stand und nicht sein Tim Wiese. Leverkusens Rudi Völler findet, dass Rene Adler der Beste ist. Schalkes Felix Magath hat mit Manuel Neuer den Torhüter, der von Manchester United und Bayern München umworben wird, und wirbt selbst für ihn.

Köpke: Da wird schon mal die rosarote Brille aufgesetzt, um den eigenen Mann zu stärken. Und wenn wir zwei Torhüter nominieren, das ist ja klar, dann wird von den Journalisten natürlich bei denen angefragt, deren Torhüter nicht nominiert wurde. Aber gegen Aserbaidschan waren wir nur drei Tage zusammen. Da macht es keinen Sinn, drei Torhüter zu nominieren und einen auf die Tribüne zu setzen.

Für Robert Enke, der gegen Aserbaidschan gespielt hat, läuft es mit seinem Verein Hannover 96 schlecht, und Lobbyisten hat er wohl auch nicht an seiner Seite...

Köpke: Vielleicht ist das der Grund, warum er gespielt hat. Ich hatte damals beim 1. FC Nürnberg ja auch keine Lobbyarbeit im Rücken. Aber im Ernst: Bei Robert gibt es gar keine Diskussion, da muss man auch die letzten Jahre betrachten, in denen er konstant gute Leistungen abgeliefert hat.

Haben Sie eine Liste mit Entscheidungs-Kriterien, auf der sie Häkchen machen?

Köpke: Das moderne Torwartspiel ist sehr komplex, da ist kein Vergleich mehr möglich mit meiner Zeit. Die ganz jungen Torhüter, die wissen gar nicht mehr, was ich meine, wenn wir über die Unterschiede reden. Spieleröffnung. Fußballerische Fähigkeiten. Aber eine wichtige Frage, die wir beantworten müssen, ist auch: Wer kann unseren jungen Abwehrspielern am meisten helfen?

Tim Wiese hat Bedenken geäußert wegen seiner möglichen Nominierung bei den Spielen gegen Südafrika und Aserbaidschan in Leverkusen und Hannover. Er fürchtet Pfiffe der Adler- und Enke-Fans. Hat er sich in seiner Persönlichkeit so sehr gewandelt? Oder ist das ein taktischer Zug, eine Art versteckter Lobbyismus in eigener Sache?

Köpke: Auch eine gute Frage. Da müsste man mal bei Tim nachhören. Ich glaube aber ganz grundsätzlich, dass das deutsche Publikum ein feines Gespür dafür hat, wann ein Torhüter mit dem Verein und wann er mit der Nationalelf antritt. Es gab nur einen speziellen Fall, den Fall Oliver Kahn, Jens Lehmann. Damals in München, bei der Stadioneröffnung, ist Jens ausgepfiffen worden. Aber, wie gesagt, das war ein Spezialfall.

Dass Wiese selbst Bedenken geäußert hat, ist für Sie kein Nominierungskriterium?

Köpke: Nein, nein. Er hat es ja auch schon etwas relativiert, und ich werde auch noch einmal mit ihm sprechen.

Der einzige, der es gewagt hat, unverhohlen Lobbyarbeit in eigener Sache zu betreiben, ist Jens Lehmann. Im Moment scheint der bald 40-Jährige in überragender Form zu sein, aber am Ende der Saison will er die Karriere beenden.

Köpke: Ja, ja, genau jetzt, wo wir ihn nominieren wollten, hört er auf... Im Ernst: Jens ist definitiv kein Thema, obwohl er natürlich ein herausragender Torhüter ist.

Herr Köpke, noch eine ganz einfache Frage: Wer fliegt vorn?

Köpke: Jaaa. Aber da werde ich mich hüten, in der Öffentlichkeit ein Ranking vorzunehmen. Wir besprechen das intern, und auch intern nehmen wir nicht Monat für Monat ein Ranking vor.

Aber man kann sagen: Wer am 10. Oktober beim wahrscheinlich entscheidenden WM-Qualifikationsspiel in Moskau im Tor steht, der hat zur Nummer eins geschafft?

Köpke: Der hat zumindest einen großen Schritt Richtung WM in Südafrika gemacht. Es kann dann noch immer unheimlich viel passieren. Verletzungen. Formschwankungen. Aber wir werden das Rennen nicht künstlich so lange wie möglich offen halten. Wenn wir uns sicher sind, entscheiden wir. Und nicht vergessen sollte man: Wir müssen uns erst einmal für die WM qualifizieren.