Essen. . Johan Cruyff ist am Donnerstag seiner Krebserkrankung erlegen. Der Niederländer prägte als Spieler und Trainer den modernen Fußball wie kein Zweiter.
Als Spieler ein Genie auf dem Rasen, als Trainer ein Revolutionär auf der Bank: Johan Cruyff ist am Donnerstag im Alter von 68 Jahren in Barcelona im Kreise seiner Familie verstorben. Der Fußball verliert eine beeindruckende Persönlichkeit, einen Giganten unter der Großen.
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Noch im Februar zeigte sich Cruyff voller Optimismus. “Ich habe das Gefühl, mit 2:0 in der ersten Halbzeit eines Spiels vorne zu liegen, das noch nicht zu Ende ist”, sagte Cruyff vor einigen Wochen. “Aber ich bin mir sicher, dass ich es gewinnen werde.” Im Herbst 2015 hatte Cruyff, der bis zu 80 Zigaretten am Tag geraucht haben soll und erst 1991 nach einem Herzinfarkt mit dem Rauchen aufhörte, die Öffentlichkeit informiert, dass er an Lungenkrebs erkrankt sei. Das letzte Spiel konnte Europas Fußballer des Jahrhunderts nicht gewinnen: Der Krebs war stärker.
Weltweit hat sein Tod die Fußball-Fans in tiefe Trauer versetzt. Cruyff war kein einfacher Mensch. Der Übergang von Selbstbewusstsein zur Arroganz war des öfteren fließend. Aber er war nicht nur ein herausragender Spieler und ein vor Ideen sprühender Trainer. Cruyff war Fußball. Der Mann mit der Rückennummer 14 verkörperte das, was die Fans an diesem Sport lieben: Man freut sich über Siege doppelt, wenn sie mit Schönheit herausgespielt worden sind. Fußball war für ihn kein Selbstzweck, er muss immer mit der größtmöglichen Ästhetik zelebriert werden.
Die Niederländer nannten Cruyff "König Johan"
Als Spieler war Cruyff eine Mischung aus seinen Rivalen und Weggefährten aus den Siebziger Jahren Franz Beckenbauer, Günter Netzer und Gerd Müller. Der Amsterdamer strahlte Autorität aus und nutzte seinen natürlichen Führungsanspruch wie der damalige Libero der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Beckenbauer, um sein Team auf dem Feld strategisch zu leiten. Gleichzeitig war der Ball sein bester Freund, so dass ihm geniale Pässe wie Netzer gelangen. Und seine Quote von 33 Toren in 48 Länderspielen zeigt, dass er fast so torgefährlich für Hollands Elftal war wie Müller für Deutschland.
Johan Cruyff ist mit dem Fußball aufgewachsen. Nachdem sein Vater an einem Herzinfarkt früh verstorben war, musste seine Mutter den elterlichen Gemüseladen aufgeben. Während sie in ihrem neuen Job als Putz- und Kantinenfrau bei Ajax Amsterdam arbeitete, verbrachte Johan seine Jugend auf dem Gelände des Traditionsklubs. Mit 15 war er noch so schmächtig und kraftlos, dass er keinen Eckball in den Strafraum schießen konnte. Aus dem Handtuch wurde trotzdem einer der größten Fußballer, den die Welt je gesehen hat. Schon mit 17 debütierte er bei Ajax in der Ehrendivision. Unter Trainer Rinus Michels stieg Ajax zur Nummer eins der Fußball-Klub-Welt auf. Mit ihrem “Voetbal totaal”, Fußball total, veränderte Ajax die Spielidee. Der Zufall sollte minimiert werden. Jeder Spieler musste abwehren und verteidigen. Mittendrin “König Johan”, wie die Niederländer inzwischen ihren Superstar nannten. Dieser immer noch schmächtige Stratege mit dem scharfen Auge und dem feinen Füßchen. Dreimal in Serie, von 1971 bis 1973, gewann Ajax mit Cruyff den Europacup der Landesmeister, Vorläufer der Champions League.
Johan Cruyff – Eine Legende des Fußballs
Auf dem Zenit seines Könnens kassierte Cruyff allerdings auch seine größte Niederlage. Eine Wunde, die ihn sein ganzes Leben begleitete. Bei der Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland hatten die Holländer ein Feuerwerk ihrer Spielkunst nach dem anderen gezündet. Während die Gastgeber der DDR unterlagen, schickten die Holländer Argentinien mit 4:0 sowie die DDR und Brasilien jeweils mit 2:0 vom Platz. Cruyff ließ zumindest die neutralen Fußball-Fans wegen seiner Gala-Auftritte mit der Zunge schnalzen. Aber im Finale gewann Deutschland glücklich mit 2:1. Cruyffs Freund Beckenbauer sagte später: “Johan war der bessere Fußballer, aber ich war Weltmeister.”
Ohne Cruyff wäre Guardiola nicht so erfolgreich
Schon 1973 war Cruyff von Ajax zum FC Barcelona gewechselt. Auf Anhieb führte er den Klub als Regisseur zur Meisterschaft. Doch die noch größeren Impulse gab er in Barcelona dem Fußball als Trainer von 1988 bis 1996. Cruyff revolutionierte das Spiel, führte den Fußball auf eine neue taktische Ebene. Cruyff forderte Ballbesitz. Bernd Schuster musterte er aus und setzte stattdessen auf den jungen Pep Guardiola. Der heutige Bayern-Trainer sagt, dass er alles, was er vom Fußball versteht, von Cruyff gelernt habe. Am Karfreitag würdigte er seinen verstorbenen Lehrmeister: “Johan verlieh uns Informationen, aber auch die Grammatik des Spiels. Ich wusste nichts über Fußball, und Johan gab mir alles. Er öffnete uns eine faszinierende Welt.”
Ohne Cruyffs Inspirationen wäre Guardiola nicht ein so erfolgreicher Trainer geworden. Ohne die Erfindung des Tiki-Taka-Fußballs hätte Spanien wohl nicht Welt- und Europameistertitel gewonnen. Und auch in Joachim Löws Konzept vom Fußball, das mit dem WM-Triumph mit der deutschen Nationalmannschaft gekrönt wurde, stecken einige Puzzlesteine, die auf den großen Johan Cruyff zurückgehen. Johan Cruyff ist tot, aber seine Ideen vom Fußball leben weiter.