Essen. China macht ernst. Erstmals haben die Klubs der Super League für Transfers mehr Geld ausgegeben als die englische Premier League – über 300 Millionen Euro.
Wird Europa in Zukunft seine Stars an Asien verlieren? Wir fragten nach bei einem Experten. Stephan Schlichting von der Agentur goal2china betreut diverse chinesische Spieler, steht mit den Vereinen der höchsten Spielklasse Chinas in Kontakt und beschäftigt sich intensiv mit dem Fußball im Reich der Mitte.
Stephan Schlichting, die Transferausgaben der chinesischen Klubs sind explodiert. Warum machen sie in diesem Winter plötzlich ernst?
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Stephan Schlichting: "Es sind einfach sehr viele, sehr reiche Unternehmen Fußballvereinen beigetreten. Bei Jiangsu Suning ist es etwa ein Elektronikkonzern, der ähnlich groß ist wie hierzulande Media Markt. Die haben sich dort eingekauft und gesagt 'Geld spielt keine Rolle'. Ähnliches ist bei anderen großen Vereinen auch passiert. In Shanghai gibt es zwei große Vereine. Beim einen steht ein Hafenlogistik-Unternehmen dahinter, beim anderen eine Immobilienfirma. In Peking ist es ein Onlinekonzern. Auch eine staatliche Finanz- und Investmentfirma pumpt dort Geld rein."
Und warum investieren die alle in Fußball?
Schlichting: "Es ist ein Prestigethema. Der Staatspräsident hat Fußball zur Sportart Nummer eins im Lande gemacht. Er will in seiner Amtszeit eine Weltmeisterschaft ausrichten, eine WM gewinnen, oder sich wenigstens für eine WM qualifizieren."
Wie ist die chinesische Super League aktuell sportlich einzuschätzen?
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Schlichting: "Ein paar Topklubs könnten in der Bundesliga im Mittelfeld mitspielen, wenn sie ihr Leistungsvermögen abrufen, ansonsten hat der Rest der Mannschaften Zweitliganiveau. Das kann sich durch einige ausländische Topspieler nun natürlich ändern."
Wie gefährlich sind die chinesischen Klubs wirklich für die europäischen Topteams? Werden viele Stars aufgrund von hochdotierten Angeboten abwandern?
Schlichting: "Das Geld ist immer ein Thema, insbesondere bei Spielern aus Südamerika und Afrika. Für sie ist das Thema Familie und deren Unterhalt wichtiger als für Europäer. In Deutschland spielt das nicht so eine große Rolle. Alexander Meier hatte zum Beispiel im Winter ein sehr gutes Angebot aus China vorliegen, aber für ihn war das uninteressant. Ich könnte mir aber vorstellen, dass er im Sommer noch dort landet. Klar ist natürlich: Ein 22-Jähriger, deutscher Nationalspieler wird im Normalfall nicht nach China gehen. Und ein Alex Teixeira, der im Winter der teuerste Einkauf der Super League war (Für ca. 50 Millionen von Donezk zu Jiangsu Suning, Anm. d. Red.) wäre eigentlich auch lieber nach Liverpool gegangen. Das hat er klar gesagt."
Im Winter hat die Super League erstmals mehr Geld ausgegeben als die englische Premier League. Wird das nun öfter so sein?
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Schlichting: "Wir brauchen uns nichts vormachen, es werden weitere Spieler nach China gehen. Die Chinesen werden in den nächsten Jahren zu 100 Prozent weiter investieren. Teure Spieler aus dem Ausland zu kaufen, wird allerdings nicht reichen, wenn man nicht in die Jugendförderung investiert. Allein wegen einigen guten Gegenspieler wird ein junger Chinese nicht besser. Er wird motivierter sein, aber das reicht nicht, um ein höheres Niveau zu erreichen."
Glauben Sie, dass der Plan des chinesischen Staatspräsidenten aufgeben wird?
Schlichting: "Ich kann mir vorstellen, dass China in naher Zukunft eine WM ausrichtet. Olympia haben die Chinesen ja auch schon geschafft. Fußballerisch wird die entscheidende Frage sein, ob sie den Unterbau Jugendfußball in den Griff bekommen. Aktuell gibt dort es keinen Ligabetrieb im Jugendbereich. Einmal im Jahr findet ein großes Turnier statt, das war es. Das ist die Riesenbaustelle, die China in den Griff bekommen muss. Das Problem wurde allerdings bereits erkannt und es wird daran gearbeitet, dass bis 2018 ein Unterbau entsteht. Wenn die Ausbildung erst einmal funktioniert, wird da etwas passieren. Es gibt genug Spieler in diesem Land. Die Wahrscheinlichkeit, dass da ein paar gute bei sind, ist relativ hoch."