Glasgow. Bundestrainer Löw erlebt am Montagabend seine Schottland-Premiere. Möglicherweise könnte mit einem Sieg die EM-Teilnahme 2016 perfekt gemacht werden.
Im sonnigen Glasgow stieg bei Joachim Löw die Vorfreude auf seine langersehnte Schottland-Premiere. "Wenn man den Stolz, die Leidenschaft und das Herzblut der Schotten kennt, weiß man: Die Atmosphäre wird einmalig sein. Wir freuen uns alle", sagte der Bundestrainer am Sonntag zur Mission "Bravehearts".
Die jüngste 0:1-Niederlage der Schotten in Georgien mache die Aufgabe für die deutsche Fußball-Nationalelf am Montag (20.45 Uhr/RTL und in unserem Ticker) "sogar noch ein Stück gefährlicher", meinte Löw. Er war noch nie zuvor als Spieler oder Trainer im berühmten Hampden Park aktiv: "Es ist das Spiel des Jahres für Schottland."
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Auch für Torwart Manuel Neuer ist es die persönliche Schottland-Premiere. Er erwartet ebenfalls ein "sehr emotionales Publikum" in Glasgow. "Wir müssen natürlich dagegenhalten", betonte der Münchner und erinnerte an das Hinspiel. Exakt vor einem Jahr hatte das DFB-Team durch ein spätes Tor von Thomas Müller nur knapp mit 2:1 gewonnen. "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu sehr in Euphorie sind und denken, alles ist ein Selbstläufer", mahnte Teammanager Oliver Bierhoff.
Nach dem begeisternden 3:1-Sieg gegen Polen, den größten Rivalen in der EM-Qualifikations-Gruppe D, ist das Selbstbewusstsein groß beim Weltmeister. "Wir werden da auch ein gutes Spiel machen", versprach Löw und kündigte ohne Zweifel an: "Wir werden das Spiel gewinnen!"
Löw sieht "normalerweise keine Veranlassung" zu personellen Wechseln
Zu personellen Wechseln sieht der Bundestrainer "normalerweise keine Veranlassung". Er schloss aber die eine oder andere Umstellung - etwa auf der rechten Abwehrseite - nicht kategorisch aus. Auch der gegen Polen leicht angeschlagene Leverkusener Karim Bellarabi steht zur Verfügung. "Wir haben keinerlei Probleme, können absolut sorgenfrei in die Partie gehen", sagte der DFB-Chefcoach. Topkandidat für eine Umstellung wäre der Dortmunder Ilkay Gündogan, der gegen Polen eingewechselt wurde. "Er hat uns große Stabilität gegeben", sagte Löw.
Mit einem Sieg könnte das Direkt-Ticket zur EM-Endrunde vom 10. Juni bis 10. Juli 2016 bereits gebucht werden, wenn zugleich die Iren gegen Georgien patzen sollten. Drei Spieltage vor Quali-Ende führt der Weltmeister seine Gruppe mit 16 Punkten vor Polen (14), Irland (12) und den Schotten (11) an. "Wir sind nicht schlecht drauf, haben Spaß miteinander, das wollen wir auch in Schottland zeigen", verwies Müller auf das wieder funktionierende Offensiv-Karussell.
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Kritik an fehlender Schnelligkeit bei seinen Spielern, die in Frankfurt zahlreiche Chancen der Polen ermöglicht habe, wies Löw in Glasgow kategorisch zurück. "Natürlich haben wir schnelle Spieler. Entscheidend ist, wer ist schnell im Kopf?", sagte Löw. Beim Gegentor von Robert Lewandowski (36.) etwa hätte ein anderer Spieler eher erkennen müssen, dass er Neuling Emre Can auf der rechten Seite hätte helfen müssen, indem er den Raum zustellt.
Mario Götze traf zweimal für die DFB-Elf gegen Polen
"Wir müssen noch ein bisschen stabiler spielen, dass wir nicht so viele Fehlpässe spielen", räumte Torjäger Müller ein. Beim Erfolg gegen Polen markierte der 25-Jährige sein sechstes Qualifikationstor. Gleich zweimal traf sein Klubkollege Mario Götze - es waren die Treffer 15 und 16 in seinem 46. Länderspiel. Die Belohnung: Nach einer lange Zeit eher holprigen Qualifikation steht Deutschland auf dem Weg zur EM-Endrunde 2016 erstmals an der Tabellenspitze.
Götze, der gegen Polen zusammen mit seinen Offensiv-Partnern gezaubert hatte, soll auch in Glasgow wieder für Glanzpunkte in der Offensive sorgen. "Er hat sich gut gelöst, war immer anspielbar, ist viel gelaufen. Er hat zwei Tore erzielt, die wichtig waren", lobte Löw Matchwinner Götze, der die Situation genoss.
"Natürlich ist es immer schön, wenn man Vertrauen spürt. Das spüre ich grundsätzlich immer, wenn ich bei der Nationalmannschaft bin", gab der Bayern-Profi zu Protokoll. Ohne es direkt anzusprechen, verwies er damit auf den Unterschied zum FC Bayern, wo er dieses Vertrauen von Coach Pep Guardiola häufig nicht gespürt hat.
"Es ist nicht ganz einfach für mich, alle Situationen bei Bayern zu bewerten. Vielleicht ist da die Konkurrenz noch ein bisschen größer als bei uns", bemerkte Löw. Der Bundestrainer riet dem 23 Jahre jungen Götze, die Münchner Situation positiv anzunehmen: "Ich habe ihm gesagt, er solle es bei Bayern durchstehen und kämpfen."
Debütant Can bekam von Löw in Glasgow auch nochmals Vertrauen ausgesprochen. "Es war gegen Polen eine gewisse Drucksituation. Es ist nicht seine Position. Natürlich kann er es noch besser machen, er hat großes Potenzial", erklärte der Bundestrainer. "Im Verlauf des Spiels hat er sich gut eingefunden. Zweikampfstark, körperlich stark, gutes Passspiel - für mich war es ein gutes, ordentliches Debüt."
Der 21-jährige Can, 76. Neuling in der Ära Löw, sah sein Debüt selbst etwas kritischer: "Es ist schon ein sehr großer Unterschied. In der U21 sind viele junge Spieler. Hier sind Männer, erwachsene Leute, das merkt man." Männer werden auch gegen die Bravehearts gefragt sein: Von den sechs bisherigen Länderspielen in Schottland konnte Deutschland nur ein einziges gewinnen - vor 22 Jahren mit 1:0. (dpa)