Zürich. Sepp Blatter ist vom Amt des Fifa-Präsidenten zurückgetreten. US-Medienberichten zufolge soll das FBI gegen den 79-Jährigen ermitteln.
- Fifa-Präsident Sepp Blatter hat am Dienstag seinen Rücktritt angekündigt
- Laut Medienberichten ermittelt das FBI gegen Blatter
- Blatters Nachfolge ist noch ungeklärt
- Neuer Fifa-Präsident soll frühestens im Dezember gewählt werden
Die Rücktrittsankündigung von Fifa-Präsident Joseph Blatter hat in der Fußball-Welt und sogar in der Politik Erleichterung ausgelöst. Doch die Motive für den plötzlichen und freiwilligen Abschied des kritisierten Dauerregenten im skandalumtosten Weltverband scheinen trotz des zehn Absätze langen Statements des 79-Jährigen weiter nicht einwandfrei geklärt.
Berichte der Zeitung "New York Times" und des Senders ABC legen den Schluss nahe, dass Blatter nur auf juristischen Druck - und eventuell sogar in einer Kurzschlussreaktion agiert haben könnte. Das FBI soll auch gegen ihn ermittelt haben. Das berichtete am Dienstag die "New York Times" unter Berufung auf Ermittler. Die Zeitung hatte in der Vorwoche die Verhaftungen von führenden Fußball-Funktionären als erste publik gemacht und den Anstoß zur neuen Eskalationsstufe der massiven Fifa-Glaubwürdigkeitskrise kurz vor Blatters dennoch geglückter Wiederwahl am Freitag gegeben.
FBI soll gegen Sepp Blatter ermitteln
Auch der US-Fernsehsender ABC hat die - sofern korrekt - für Blatter verheerenden Informationen und beruft sich auf Personen, die mit dem Fall vertraut seien. Einzelheiten, was die Ermittlungen ergeben haben oder ob sie andauern, wurden nicht bekannt. Das FBI weigerte sich die Berichte zu kommentieren. Doch sogar aus dem Blatter-Umfeld kommen Andeutungen. Die amerikanische Nachrichtenagentur AP zitierte dessen langjährigen Freund, Walter Gagg: "Ich hatte ein sehr gutes Treffen mit ihm heute früh. Dann kamen die anderen Informationen aus den USA mit diesem und jenem." Ein weiteres Indiz für unangenehme Nachrichten aus Amerika für Blatter.
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Blatter selbst hatte seine Demission so begründet: "Meine tiefe Fürsorge für die Fifa und ihre Interessen, die mir sehr am Herzen liegen, haben mich zu dieser Entscheidung bewegt." Seine Tochter Corinne gab sich beim britischen Sender BBC als treibende Kraft für die Meinungsänderung aus - als Selbstschutz für ihren Vater.
Fifa steht ohne Sepp Blatter vor einer Zäsur
Im skandalumtosten Fußball-Weltverband beginnen am Tag nach dem sensationellen Schritt die keineswegs leichten Weichenstellung für die Zukunft. Denn ohne Blatter steht die Fifa vor einer Zäsur, die der scheidende Chef selbst noch einmal dramatisierte. Mit einem Vorschlagskatalog für Reformen, die er selbst in 17 Jahren Regentschaft entweder nicht anfasste oder nicht durchsetzte, hinterlässt Blatter seinem Nachfolger innerhalb der Fifa-Strukturen ein ungeheuer schweres Erbe voller Konfliktpotenzial.
Ein kleineres Exekutivkomitee (Exko), statt eines größeren, wie es Blatter noch am Wochenende wollte. Eine Wahl der Exko-Mitglieder durch den Kongress, statt durch die Konföderationen. Ein ethischer Eignungstest der Kandidaten durch die Fifa statt die Kontinentalverbände. Und zu guter Letzt: Eine Amtszeitbeschränkung für Exko-Mitglieder und den Präsidenten. Nie wieder würde ein Fifa-Präsident mit der Macht regieren können, wie es Blatter tat.
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Blatters Rivalen bringen sich für Nachfolge in Stellung
Die Spekulationen, wer dieses Erbe antreten könnte waren sofort im Gange. Michel Platini, Blatters Rivale der vergangenen Monate ist ebenso reflexartig dabei wie der am Freitag besiegte Prinz Ali bin al-Hussein, der schon seine erneute Bewerbung in Erwägung zog. Der kurz vor der Wahl nicht angetretene Michael van Praag hält sich zunächst alles offen. Weiterer potenzieller Kandidat wären Ahmad al Fahad al Sabah aus Kuwait - ein mit allen Machtmitteln ausgerüsteter Funktionär, der auch IOC-Präsident Thomas Bach ins Amt half. Gewählt werden soll der neuen Fifa-Boss bei einem außerordentlichen Kongress, offenbar nicht vor Dezember.
Im deutschen Fußball gab es über die Notwendigkeit eines Neuanfangs keine zwei Meinungen. "Dies ist ein guter Tag für den Weltfußball", sagte Ligapräsident Reinhard Rauball. DFB-Boss Wolfgang Niersbach, der als Exko-Mitglied nun nicht mehr in der Bredouille steckt, unter Blatter dem Gremium gar nicht angehören zu wollen, sagte: "Das ist die Entscheidung, die absolut richtig ist, die überfällig ist." Sogar Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich erleichtert: "Ich habe gesagt, es ist ein Neuanfang notwendig, wenn der Fußball und die Fußballbegeisterung überleben sollen."
FIFA-Skandale unter Blatter
Nach Rücktritt von Sepp Blatter - Das sind die möglichen Nachfolger
Schon wenige Minuten nach dem angekündigten Rückzug von Joseph Blatter haben die Spekulationen um den möglichen Nachfolger begonnen. Der Wahlkongress soll voraussichtlich zwischen Dezember diesen Jahres und März 2016 stattfinden. Schon am Dienstagabend äußerten sich die ersten potenziellen Kandidaten - das Feld reicht von aktuellen Top-Funktionären, früheren Herausforderern des scheidenden Schweizers bis zu einer deutschen Lichtgestalt.
Uefa-Chef Michel Platini
Eine Kampfkandidatur gegen Blatter hatte Michel Platini (59) als Präsident der Europäischen Fußball-Union stets tunlichst vermieden. Ambitionen auf das höchste Funktionärsamt verhehlte der Franzose hingegen ebenso wenig. "Es ist noch nicht an der Zeit etwas anderes zu tun", sagte Platini vor zehn Monaten, als er seinen Verzicht auf eine Fifa-Bewerbung erklärte. Doch eine weltweite Unterstützung für den Blatter-kritischen Platini erscheint zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt fraglich.
Die früheren Gegner von Sepp Blatter
Der gegen Blatter unterlegene Prinz Ali Bin Al-Hussein aus Jordanien und der Niederländer Michael Van Praag erklärten schon am Dienstagabend, dass sie sich eine Kandidatur offenhalten. Luis Figo, der wie van Praag vor der Wahl zugunsten al-Husseins zurückgezogen hatte, forderte eine "gemeinsame weltweite Lösung". Aus dem Trio besäße al-Hussein wohl die größten Chancen - pikant würde die Situation, wenn sowohl der aus Europa unterstützte Jordanier wie auch Platini antreten sollten. Der frühere Profi David Ginola der schon vor der vergangenen Wahl die notwendigen fünf Unterstützerländer nicht aufbringen konnte, will es erneut versuchen.
Sepp Blatters Stellvertreter
Wäre der Schweizer sofort zurückgetreten, hätte Issa Hayatou als längster sich im Amt befindender Vizepräsident die Geschäfte übernommen; Alles andere als ein Neuanfang. Der 68-Jährige aus Kamerun sitzt seit 1990 in der Fifa-Exekutive und stand schon mehrfach unter Korruptionsverdacht, den er stets zurückwies. 2011 kam er mit einer Rüge des Internationalen Olympischen Komitees für den Erhalt von 20 000 US-Dollar vom früheren Marketingpartner ISL davon.
Ein Strippenzieher aus Kuwait
Erst beim Kongress am vergangenen Freitag wurde Ahmad al Fahad Al Sabah ins Fifa-Exko gewählt. Und doch war der Kuwaiti schon mittendrin. Am Vorabend der Wahl zeigten Fotos den höchst einflussreichen Sportfunktionär an der Seite von Platini, al Sabah weiß wie man Mehrheiten beschafft. Schon Thomas Bach profitierte bei der Wahl zum IOC-Präsidenten von seinen Diensten.
Franz Beckenbauer
Seine Popularität nutzte Franz Beckenbauer bereits, um die WM 2006 nach Deutschland zu holen - auf ihn als Präsidenten könnte sich die Fußball-Welt sicher einigen. Als Exko-Mitglied war er allerdings bei der skandalumwitterten WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022 im Dezember 2010 beteiligt und sieht sich noch mit Ermittlungen der Fifa-Ethikkommission konfrontiert. (dpa)