Essen. Schalke und der BVB redeten sich zuletzt ihre Leistungen schön. Weiter hilft den Revierklubs dagegen nur eine ehrliche Fehleranalyse. Ein Kommentar.

Für alle, die etwas über das Phänomen der selektiven Wahrnehmung erfahren wollen, bietet der Fußball reichlich Anschauungsmaterial – quer durch alle Vereine.

Als Schalke in der Nachspielzeit um den Sieg gegen Bremen gebracht worden war, versuchten Trainer wie Manager uns klar zu machen, lediglich ein „dummes Tor“ habe Königsblau um den Lohn eines eigentlich guten Spiels gebracht. Abgesehen von der eher mäßigen Leistung – darüber, dass erst ein schlimmer Patzer des Werder-Torhüters für die Schalkes Führung gesorgt hatte, verloren Roberto di Matteo und Horst Heldt kein Wort.

Demonstrative Rückendeckung für formschwache Spieler

BVB-Trainer Jürgen Klopp führte nach dem 1:2 in Turin gleich zwei „doofe Tore“ ins Feld, die ein besseres Ergebnis verhindert hätten. Klar, die Dortmunder Abwehr hatte dabei schlecht ausgesehen. Nur: Der zwischenzeitliche Ausgleich durch Marco Reus war erst durch einen Ausrutscher des Juve-Verteidigers Giorgio Chiellini ermöglicht worden. Wie „blöd“ war das denn?

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Selektive Wahrnehmung beinhaltet, Sachverhalte auszublenden, die den eigenen Interessen zuwider laufen. Was auch für die demonstrative Rückendeckung von Spielern gilt, deren Formschwäche offenkundig ist. Ob es Jürgen Klopps beste Idee in dieser Saison war, gegen Ende der Vorrunde den schwächelnden Roman Weidenfeller gegen Mitch Langerak auszutauschen, sei dahin gestellt. Mutig war sie allemal. Aber nachdem der Coach die umstrittene Maßnahme nicht konsequent durchgezogen hat, passen ihm Fragen nach Weidenfellers neuerlichem Fehler in Turin selbstverständlich nicht ins Konzept.

Intern hoffentlich mehr Tacheles

Zweites BVB-Beispiel: Mats Hummels. Der Verein möchte den Vertrag mit dem Nationalspieler, der seit der WM seiner Form, aus welchen Gründen auch immer, hinterher läuft, gerne vorzeitig verlängern. Wer will vor diesem Hintergrund schon einen so verdienten und immerhin einsichtigen Spieler verärgern, in dem er seine unübersehbare Beteiligung an beiden Gegentoren in Turin öffentlich thematisiert?

In einer Krise, in der Dortmund auch nach drei Liga-Siegen über Abstiegskandidaten nach wie vor steckt, ist allerdings schonungslose Fehleranalyse gefragt. Es bleibt deshalb im Sinne der Fans zu hoffen, dass sowohl auf Schalke als auch in Dortmund bei der internen Aufarbeitung nichts im Sinne von selektiver Wahrnehmung schön geredet wird.