Vigo. Das Jahr des Weltmeisters ist auch das Jahr der persönlichen Aufstiege. Shkodran Mustafi sprang auf den WM-Zug auf und war wenig später Bestandteil jener deutschen Mannschaft, die sich in Brasilien zur besten der Welt kürte. Und auch Toni Kroos spielte sich in den Blickpunkt des Weltfußballs.
So ein Weltmeisterjahr bringt viele Heldengeschichten hervor. Eine davon ist die von Shkodran Mustafi. Im Mai noch allenfalls als talentierter Abwehrspieler von Sampdoria Genua registriert, sprang er als Letzter auf den WM-Zug auf und war wenige Wochen später Bestandteil jener deutschen Mannschaft, die sich in Brasilien zur besten der Welt kürte. Vor einigen Tagen hat der 22-Jährige erklärt, was er anstellt, um die Bodenhaftung angesichts solch erstaunlicher Entwicklungen nicht zu verlieren. Für viele Fußballprofis sei es selbstverständlich, Autos im Wert von 200 000 Euro fahren zu können, führte Mustafi aus. Man dürfe jedoch nicht vergessen, dass manche Väter ihre Familien mit harter Arbeit und viel weniger Geld durchbringen müssten. „Das ist eigentlich das richtige Leben”, erklärte Mustafi, „und nicht das Leben, das ich führe – das ist ein Traum.”
Diesen Gedanken griff der Sohn albanischer Eltern auf, als er am Dienstagabend nach dem in beinahe letzter Minute hergestellten 1:0-Sieg über Spanien in Vigo, dem Abschluss eines „sensationellen” (Bundestrainer Joachim Löw) und „wunderbaren” Jahres (DFB-Präsident Wolfgang Niersbach), sagte: „Früher habe ich gedacht, dass man für das, was ich erlebt habe, acht bis zehn Jahre braucht, um das alles zu erreichen.”
Auch Toni Kroos erlebte in diesem Jahr eine rasante Entwicklung, der 24 Jahre alte Mittelfeldspieler war allerdings kein herkömmlicher Emporkömmling, sondern der große Gewinner des von Glücksmomenten reich beschenkten Jahres.
Auch bei Real ein Leistungsträger
Er war der Taktgeber beim WM-Siegeszug in Südamerika, wechselte dann für 30 Millionen Euro von Bayern München zu Real Madrid und schlug dort prächtig ein. Und nun erzielte Kroos auch noch das Siegtor gegen die Auswahl seiner Wahlheimat. Wobei dies nur geringen Stellenwert bei ihm genießt: „Das war kein Tor, für das ich mich jetzt drei Wochen feiern lasse”, sagte der gebürtige Greifswalder und blickte im Duktus von Pep Guardiola zurück: „Das war ein super, super Jahr.”
Eines, das dem Blondschopf nicht viele zugetraut hätten. Mesut Özil war nach Brasilien gereist, um im Falle des vierten deutschen Weltmeistertitels der Star zu werden. Der Deutschtürke spielte ein schwaches Turnier, die DFB-Auswahl holte trotzdem den Titel und versetzte das Land damit in einen Freudenrausch, der zuletzt durch die dürftigen Auftritte in der EM-Qualifikation allerdings auch wieder nüchterne Tage hervorbrachte.
Auch interessant
Mario Götze wird als goldener Finaltorschütze gegen Argentinien in Erinnerung bleiben – aber Toni Kroos war der Dirigient dieses Erfolgs, der Taktgeber, sicher nicht immer der spektakulärste Spieler, aber einer, dessen Zuverlässigkeit im Passspiel und erstaunliche Genauigkeit bei langen Diagonalbällen verlässliche Konstanten im Spielplan von Joachim Löw sind. Das Turnier nutzte Kroos, um aus dem Schatten der Schweinsteigers, Lahms und Müllers hervorzutreten – nicht immer verbal, auf dem Platz jedoch immer häufiger.
Als wäre er nie woanders gewesen, hat sich Kroos auch bei Real Madrid zu einem unverzichtbaren Leistungsträger entwickelt. Mag er mit seinen 2014er WM-Auftritten noch nicht alle spanischen Fans überzeugt haben (vier Jahre zuvor war er es, der in Südafrika im Halbfinale eine Riesenchance vergab, ehe Carles Puyol kurz danach Spanien mit dem 1:0-Siegtreffer ins Finale brachte), Kroos ist nun überall akzeptierter Zulieferer für die Offensiv-Asse Cristiano Ronaldo, Gareth Bale und James Rodriguez.
Xabi Alonso, mit dem er quasi nur die Positionen in München und Madrid tauschte, hob Kroos nun in den Kreis der „fünf besten Mittelfeldspieler der Welt”. In Vigo gestand Kroos, dass auch ihm nicht alles gelinge: „Aber es läuft natürlich gut bei mir – und ich tue alles dafür, dass es so bleibt.” Bis zur Endrunde bei der Europameisterschaft 2016 in Frankreich dürfte dies zu schaffen sein.