Nürnberg. . Joachim Löw ist sauer auf seine Auserwählten, die selbst gegen den Fußballzwerg Gibraltar nicht überzeugten. Er nannte keine Namen, doch von seiner harten Kritik durften sich vor allem die enttäuschenden Angreifer Max Kruse und Lukas Podolski angesprochen fühlen.
Das Stadion Municipal de Balaidos gilt als heruntergekommen, es nimmt gerade mal 32 000 Zuschauer auf, und Vigo, eine Industriestadt im spanischen Nordwesten, ist nun mal nicht Barcelona oder Madrid. Dieser Spielort, den der spanische Fußballverband aus welchen Gründen auch immer für das letzte Länderspiel des Jahres auswählte, passt aber zum Charakter der Testpartie: Auch wenn es die Spieler offiziell bestreiten, gilt sie als lästige Pflichtübung inmitten eines ohnehin schon pickepackevollen Terminkalenders.
Die Paarung allerdings strahlt größtmöglichen Glanz aus: Spanien, der Weltmeister von 2010, trifft am Dienstagabend auf Deutschland, den Weltmeister von 2014 (20.45 Uhr/ARD). Allein aus dieser Konstellation ergibt sich die Hoffnung, dass sich alle Beteiligten doch noch einmal zusammenreißen und für ein interessante Begegnung sorgen werden. Sie versprechen es zumindest. „Es ist sehr viel Prestige in dem Spiel, es ist natürlich noch mal ein Highlight, bei dem man ein Zeichen setzen will“, sagt Torjäger Thomas Müller, und der bei Real Madrid beschäftigte Toni Kroos sieht das ähnlich: „Ich erwarte, dass der ehemalige Weltmeister den aktuellen Weltmeister schlagen will. Es ist ein wichtiges Spiel, für die Spanier und für uns.“
Vor allem versprüht es mehr fußballerischen Reiz als das EM-Qualifikationsspiel am Freitagabend, bei dem sich die deutschen Eliteprofis gegen die Feierabendfußballer der britischen Kronkolonie Gibraltar lediglich zu einem 4:0 mühten. 44 000 Menschen in der ausverkauften Nürnberger Arena (14 000 mehr, als Gibraltar Einwohner hat), hatten sich auf ein Torspektakel gefreut. Doch je länger das Spiel dauerte, desto mehr wurden sie mit uninspiriertem Ballgeschiebe abgespeist. Lässigkeit und Zurückhaltung ersetzten Schnelligkeit und Spielwitz, und so war es kein Wunder, dass einige der lange Zeit erstaunlich gut gelaunt gebliebenen Zuschauer am Ende auch pfiffen.
Auch der Bundestrainer, der nach einigen Absagen sein derzeit bestmögliches Aufgebot nominiert hatte, um nicht schon im Vorfeld den Eindruck der Geringschätzung zu erwecken, war enttäuscht und wurde deshalb auch deutlich. „Ich bin nicht zufrieden, weil das 4:0 einfach zu wenig ist“, sagte Joachim Löw. Zu wenig Tempo, zu wenig Laufbereitschaft, zu wenig Zug zum Tor: Löw hatte die Nase gestrichen voll, als er all diese Nachlässigkeiten aufzählte. Ohne Namen zu nennen, kündigte er Konsequenzen an. „Von dem einen oder anderen, der jetzt mal eine Chance hatte, hatte ich mehr erwartet“, sagte er.
Kruse und Podolski ohne Akzente
Angesprochen fühlen durften sich vor allem zwei Angreifer, die bei Bestbesetzung lediglich in der zweiten Reihe stünden. Max Kruse, der vor der WM ausgebootete Mönchengladbacher, war kaum zu sehen, und auch Lukas Podolski, der unzufriedene Edelreservist des FC Arsenal, hatte lediglich bei der Vorbereitung des zweiten Treffers des zuverlässigen Thomas Müller eine bemerkenswert gute Szene.
Im Gegensatz zu Kruse genießt der mittlerweile 121-malige Nationalspieler Podolski aber aufgrund seiner Verdienste einen gewissen Bonus bei Löw. „Bei ihm weiß ich ja, dass es derzeit schwierig ist“, sagte der Bundestrainer. „Er braucht Spielpraxis, aber die fehlt ihm seit einem halben Jahr. Ich kann ihm da keinen Vorwurf machen, aber er muss sich jetzt etwas überlegen.“ Eine zarter Hinweis darauf, dass ein Vereinswechsel in der Winterpause doch ratsam wäre.
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In Spanien wird Löw durchschlagskräftige Offensivspieler brauchen, wenn sein Vorhaben verwirklicht werden soll. „Wir wollen da gewinnen“, sagte er. Es gehe ihm darum, „jetzt noch einen positiven Abschluss zu schaffen“. Ein Erfolg bei diesem hochkarätigen Gegner könnte den zuletzt doch angekratzten Ruf der deutschen Nationalmannschaft wieder aufpolieren. Ein guter letzter Eindruck ließe sich auch ins Jahr 2015 transportieren.
Obwohl ihm genau dies wirklich wichtig ist, gab Löw seinen Auserwählten nach einem leichten Training am Samstagmorgen in Nürnberg bis zum Sonntagabend frei, dann trafen sich die Spieler in München. „In ein, zwei Tagen können wir im Training ohnehin keine Akzente mehr setzen“, meinte er. Es ist offensichtlich: Die Luft ist raus.