Nürnberg. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat Gibraltar in der EM-Qualifikation wie erwartet klar geschlagen. 4:0 hieß es am Ende einer Partie, die eher mäßiger und an Höhepunkten armer Einbahnstraßenfußball war als rauschendes Offensivfestival.
Fußballer aus Vereinen in Oer-Erkenschwick, Gevelsberg, Rheinberg oder Ennepetal werden leider nie in den Genuss kommen, gegen eine hochdekorierte Nationalmannschaft antreten zu dürfen. Dabei repräsentieren auch sie Orte mit rund 30.000 Einwohnern - womit die Dimension umrissen wäre, in die der Vergleich des Weltmeisters Deutschland mit dem Team der britischen Kronkolonie Gibraltar am Freitagabend in Nürnberg einzuordnen war. Aber da die Uefa Gibraltar im Sommer 2013 in die europäische Fußballfamilie aufgenommen hatte, musste diese absurde EM-Qualifikationspartie für 2016 absolviert werden. Dass es eine klare Angelegenheit werden würde, war vorher klar, nur die Höhe des Resultats war fraglich. Am Ende hieß es 4:0 für Deutschland.
Nach den Enttäuschungen im Oktober, der 0:2-Niederlage in Polen und dem 1:1 gegen Irland, verzichtete Joachim Löw auf personelle Experimente und schickte stattdessen eine namhafte Elf aufs Feld. Der Bundestrainer wollte damit ein unmissverständliches Signal senden: Jede Aufgabe ist ernstzunehmen, weltmeisterliche Meriten dürfen den Ehrgeiz nicht drosseln.
Und so ergab sich wie erwartet ein Länderspiel der seltsamen Art: In Brasilien gekrönte Top-Profis trafen auf eine Amateur-Auswahl, bestehend aus Spediteuren, Polizisten, Zollbeamten und Feuerwehrmännern, von denen keiner mehr als zehn Länderspiele aufweisen konnte. Das Spielfeld wurde vorwiegend auf eine Hälfte begrenzt, die drei nominell als Abwehrspieler aufgebotenen Deutschen konnten meistens bis zur Mittellinie vorrücken. Die tatsächliche deutsche “Einer-Abwehrkette” dahinter hieß Manuel Neuer.
Der Gastronom zwischen den Pfosten patzt
“Wir wollten ohne Gegentor bleiben, das hat bis zum Gegentor auch ganz gut geklappt”, hatte einst Thomas Häßler gesagt, der Weltmeister von 1990. Für die Gäste aus Gibraltar endete der Versuch, die Übermächtigen vom Tor fernzuhalten, in Minute zwölf. Valencia-Legionär Shkodran Mustafi, der überraschend den Vorzug vor dem Schalker Benedikt Höwedes erhalten hatte, flankte scharf, und Thomas Müller eröffnete trocken den Torreigen, nachdem Torhüter Jamie Robba gepatzt hatte. Das musste man ihm nachsehen: Der Mann ist im Hauptberuf Restaurant-Manager.
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Die Deutschen bemühten sich dauerhaft um den Ausbau ihrer Führung, doch es war nicht immer einfach, denn die Fußballer vom Südzipfel der iberischen Halbinsel verteidigten fleißig und tapfer. In Minute 29 waren sie allerdings chancenlos: Nach feiner Vorarbeit von Lukas Podolski musste Thomas Müller zum 2:0 nur noch den Fuß hinhalten. Neun Minuten später fand auch Mario Götze eine Lücke in der vielbeinigen Gäste-Abwehr - 3:0.
Einmal muss Manuel Neuer richtig eingreifen
Eine Minute vor der Pause geschah dann Überraschendes: Gibraltars Team wagte sich nach vorne und kam sogar zu einem Eckball. Das machte den Rotgekleideten offenbar so viel Mut, dass sich eine Minute später Liam Walker ein spektakuläres Ding zutraute. Von links außen pfefferte er den Ball gekonnt aufs Tor und zwang Manuel Neuer, der seinen Job ansonsten auch im Frack hätte verrichten können, zu einer fantastischen Parade. 43.520 Zuschauer im ausverkauften Nürnberger Stadion staunten laut.
Mit 16:0 hatte eine deutsche Nationalmannschaft im Jahr 1912 gegen Russland gewonnen - dieser Länderspielrekord konnte am Freitagabend nicht gebrochen werden, auch wenn einige Fans insgeheim darauf gehofft haben dürften. Das ganz große Spektakel blieb aus, die Deutschen taten sich auch in der zweiten Hälfte oft schwerer als erwartet bei ihren Bemühungen, erfolgreich zum Abschluss zu kommen. Ihr 4:0 besorgte in der 67. Minute Yogan Santos per Eigentor.