Nürnberg. Die deutsche Nationalmannschaft hat gegen Gibraltar zwar mit 4:0 gewonnen, doch dieser Pflichtsieg überzeugte weder die Zuschauer in der ausverkauften Nürnberger Arena noch den Bundestrainer. Joachim Löw plant für 2015 Veränderungen, und die werden auch nötig sein. Ein Kommentar.

Jordan Perez, der Nationaltorhüter von Gibraltar, hat sein ursprüngliches Ziel sogar noch übertroffen. Er kassierte gegen das prominent besetzte deutsche Team keinen einzigen Treffer. “Unter sieben Gegentoren bin ich zufrieden”, hatte Perez vor der ungleichen EM-Qualifikationspartie verkündet. “Dann können wir sagen: Wir sind besser als Brasilien.”

Perez aber durfte in Nürnberg nur auf der Bank Platz nehmen und aus der Nähe begutachten, wie sein Konkurrent Jamie Robba tatsächlich weniger Treffer kassierte als der Brasilianer Julio Cesar im WM-Halbfinale.

Haben also Robba und seine fleißig kämpfenden Vorderleute tatsächlich besser verteidigt als der im Sommer so bedauernswerte WM-Gastgeber? Nun ja, die Männer vom Südzipfel der iberischen Halbinsel strengten sich an und rannten bis zum Schluss, doch dass sie nicht einbrachen und sich in einem Torhagel ergeben mussten, hatte weniger mit ihrer Tapferkeit als vielmehr mit der Nachlässigkeit ihres hochdekorierten Gegners zu tun.

Die weltmeisterliche Auswahl erlaubte es sich in der ersten Halbzeit, aus zahlreichen Chancen nur drei Treffer zu produzieren, und beließ es in der zweiten Hälfte bei der Mithilfe eines Gästespielers: Nur weil Yogan Santos den Ball ins eigene Tor gelenkt hatte, kam Deutschland noch zum 4:0.

Strukturlosigkeit und Ballgeschiebe

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Das hatte Gründe: Das dauerhafte Anrennen auf das Tor von Gibraltar wurde zunehmend unstrukturiert, die Deutschen überließen es mehr oder weniger dem Zufall, ob mal ein Ball durchs engmaschige Abwehrnetz schlüpfen würde - oder eben nicht. Lässigkeit und Zurückhaltung ersetzten Schnelligkeit und Spielwitz, und so war es kein Wunder, dass einige der lange Zeit erstaunlich gut gelaunt gebliebenen Zuschauer am Ende auch pfiffen. 44000 Menschen in der ausverkauften Nürnberger Arena (14000 mehr, als Gibraltar Einwohner hat), hatten sich auf ein Torspektakel gefreut. Abgespeist wurden sie, je länger das Spiel dauerte, mit oft uninspiriertem Ballgeschiebe.

So fügte sich auch dieser 4:0-Sieg ein in die Reihe der enttäuschenden Vorstellungen der deutschen Nationalmannschaft nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft. Bundestrainer Joachim Löw hofft, dass am Dienstag in Spanien ein versöhnlicher Abschluss gelingt - und er ist froh, dass er danach einen Strich unter das WM-Jahr ziehen kann. Er plant, im neuen Jahr neue Reizpunkte zu setzen, spieltaktisch und personell. Auf den WM-Meriten soll sich keiner mehr ausruhen dürfen. Das ist die gute Nachricht dieser Tage: Wenigstens der Trainer hat es begriffen.